All Articles

Unter Nomaden

16.Januar 2012

 

Der Boden ist eben und mit schwarzen Steinen übersät. Dazwischen schlängelt sich ein schmaler Pfad bis zum Horizont. Vor mir rast Atman auf seinem Moped den Pfad entlang. Ich habe Mühe auf dem Fahrrad mit seiner Geschwindigkeit mitzuhalten, doch wenn wir es bis zum Abend nach Zaouira schaffen wollen, ist Eile angesagt. Zaouira, ein kleines Dorf am Fuße des Bergzuges Djebel Bani, dort wo die Steinwüste in Sandwüste übergeht, dort wohnt Atman, den ich gestern in Foum Zguid getroffen habe. Ich weiss nicht viel über ihn, aber er ist wohl ein Freund des Couchsurfers, den ich eigentlich treffen wollte. Der war aber gar nicht zu Hause als ich ihn anrief, sondern in Agadir. Und jetzt sitz ich hier auf meinem Fahrrad, habe Wasser für einen Tag, und bin unterwegs in die Wüste.  Atman hat kein Wasser mitgenommen, aber in seiner Tasche etwas Brot, und 5 Liter Benzin in einem Plastikbehälter. Ich denke schon nach einer halben Stunde an meine Polsterhose und die Gelhandschuhe, die irgendwo ganz unten in meinen Gepäcktaschen liegen. Den größten Steinen ausweichen, bei Sandlöchern bloß nicht bremsen, nur irgendwie das Gleichgewicht halten; die Strecke erfordert volle Konzentration. Noch ahne ich nicht, dass ich mir wenige Stunden später diese Steinpiste zurückwünschen werde. Dann nämlich als ich immer wieder absteigen und schieben muss, weil ich im Sand stecken bleibe. Doch erst mal eine kleine ungewollte Pause:  Atmans Moped hat einen Platten, der Schlauch ist schon zigmal geflickt, und wird hoffentlich noch einen Flicken mehr vertragen.

 

 

Nachdem wir am Anfang noch gut vorangekommen waren, dreht nachmittags der Wind und die Strecke wird schlechter. Bei einer Pause zieht Atman aus seiner Tasche den Benzinbehälter hervor. Er ist nur noch halbvoll, ein kleines Loch hat das Benzin auslaufen lassen, unser Brot ist nicht mehr genießbar. Auch mein Wasser neigt sich dem Ende zu und es sind noch gut 30 Kilometer zurückzulegen. Schaffen wir es heute noch bis in sein Dorf? Wo soll das nur wieder enden?

 

 

Es endet für diesen Tag nicht wie erhofft in Atmans Haus, sondern im Sandsturm bei einer Nomadenfamilie. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit die nächste Panne: Das Moped will nicht mehr anspringen, alle Reparaturversuche schlagen fehl. Wir treffen auf einen Nomaden, der hier mit seiner Familie und seinen Ziegen lebt. Nach dem Austausch der üblichen Begrüßungshöflichkeiten schildert Atman ihm unser Problem. Der Nomade ist natürlich auch kein Mechaniker, aber ein freundlicher Mensch und zeigt uns den Weg zum Nomadenzelt, wo auch wir unser Zelt aufschlagen können. Es ist inzwischen dunkel geworden, ein Feuer wird entfacht, es gibt Tee. Eine kleine rote Kanne auf der Glut, ein Silbertablett, darauf 3 kleine Gläser, gegen den Sand mit einem Tuch bedeckt. Wenn der Tee heiß ist kommt ein großer Brocken Zucker in die Kanne. Ein Glas wird gefüllt, wieder zurückgeschüttet, gefüllt, wieder zurück – so lange bis es gut gemischt ist.

Wir bekommen auch Essen, ein großer Teller, gegessen wird mit den Fingern. Ich kann nicht sehen was es ist, aber ich schmecke Linsen, Tomaten, und ein Stück Ziegenfleisch ist auch für jeden dabei. Dazu selbstgebackenes Brot.

In der Nacht wird der Wind stärker. Ich muss aufstehen, und die Extraschnüre suchen um das Zelt abzuspannen. Der Wind rüttelt mit aller Kraft am Zelt, ich höre den Sand die Plane hochzischen, und beginne an der Robustheit des Zeltes zu zweifeln. Klar ist es ein gutes Zelt, aber der Sturm hat eine ganz schöne Kraft, und beult die Zeltwände weit nach innen ein. Neben mir liegt Atman in Wolldecken gewickelt und schläft seelenruhig. Ich mache mir langsam Sorgen, wie es morgen weiter geht. Doch mehr als versuchen zu schlafen und den nächsten Morgen abwarten kann ich gerade nicht tun.

 

 

 

Es stürmt immer noch am nächsten Morgen. Das Fahrrad ist umgekippt, Sand ist überall. Im Zelt, in den Taschen, am Körper. Nach einem Tee und Brot mit Öl machen wir uns auf den Weg. Die erneuten Reparaturversuche sind fehlgeschlagen, und Atman muss sein Moped schieben. Nach etwa 5 Stunden erreichen wir endlich Zaouira. Alte Lehmhäuser, eine neue Moschee und ein solarbetriebener Funkturm. Dazu ein paar Palmen und kleine Beete mit Karotten und Zucchini. Strom gibt es hier nicht, im Wasser aus dem Brunnen schwimmen kleine Tierchen. Mal sehen wie es von hier aus weiter geht…