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“Vertrau uns, wir sind deine Freunde”

In Multan hält der Bus irgendwo am Stadtrand an. Mein Rad wird abgeladen, ein letztes mal ertönt die Hupe, und da steh ich nun, die Packtaschen und das Rad neben mir. Es ist halb vier in der Nacht, es ist kalt und ich bin müde, die Busfahrt war nicht sonderlich angenehm. Ich frage ein paar Leute nach einem Hotel, ahnungslose Gesichter und Schulterzucken. Schließlich finden sich ein paar junge Männer die sich meiner annehmen und mit einem Rikshafahrer verhandeln. Er soll mich zu einem Hotel in der Innenstadt fahren, bzw. vorweg fahren und ich auf dem Rad hinterher. Irgendwann werden sie sich über einen Preis und auch die Richtung einig. Die 5 Jungs steigen ein, der Fahrer gibt mir einen Wink und die Rikscha knattert los. Moment, wollten die Jungs hier nicht auf einen Bus nach Lahore warten?

Foggy atmosphere in Multan
Foggy atmosphere in Multan

5 Kilometer sollen es bis zum Zentrum sein. Das kann genauso gut 3 oder 10 bedeuten, ich habe gelernt, vorsichtig mit solchen Angaben umzugehen. Es geht durch eine menschenleere Gegend, alle Läden mit Metallrollos verschlossen, Müll liegt auf der Straße. Ab und zu kommt uns ein Motorrad entgegen. Die Straßenlampen schneiden orangene Kegel in die neblige Luft. Irgendwann wird die Straße schmaler, es geht an einem Park vorbei und die Beleuchtung hört auf. Das soll der Weg ins Zentrum sein? Jetzt ist es an der Zeit zu Vertrauen – oder Angst zu haben. Die beiden Jungs hinten auf der Rikscha merken meine Zweifel. „Vertrau uns, wir sind deine Freunde. Wir wollen dir helfen.“ Erneut geben sie mir die Hand. Ich füge mich meinem Schicksal und strampel weiter hinter den roten Rücklichtern her. Irgendwann wird es wieder heller, ein paar Läden haben geöffnet, Bäckereien und ein Kiosk. Aber so wie man sich das Zentrum einer drei-millionen-stadt vorstellt, sieht es nicht aus.
Die Rikscha hält an, die Jungs und der Fahrer springen ab und umringen mich. Sie schütteln mir die Hand und grinsen. „Hier bist du. Dort drüben ist ein Hotel, und in der Straße da sind auch mehrere“. „Welcome to Pakistan“. Die Rikscha brauche ich nicht zu bezahlen, und ich bekomme gleich 3 Telefonnummern, falls ich irgendwelche Probleme habe, und ich ärger mich über meine Zweifel.

pakblog05

Die Hilfsbereitschaft und die Gastfreundschaft welche ich schon im Iran erlebt habe, hält auch in Pakistan an. Die Menschen sind sehr neugierig und neben den üblichen Fragen höre ich hier oft „Bist du Muslim?“ und „Ost- oder Westdeutschland?“

Ich finde meinen Platz auf der Straße zwischen vollbeladenen LKW, Bussen, Autos, Motorrädern, Rikschas, Esel-, Pferde-, und Ochsenkarren, und anderen Fahrrädern, und radel Richtung Islamabad. Abends habe ich manchmal Probleme einen Schlafplatz zu finden: Zelten ist schwierig, da überall Menschen wohnen, und in den kleineren Städten gibt es oft keine Hotels und ich muss weiter in die nächste Stadt fahren.
Auch die Polizei ist freundlich aber ein bisschen zu sehr um meine Sicherheit bemüht. Ist Punjab doch einer der sicheren Gebiete Pakistans, mir wird gesagt ich könnte auch ohne Probleme nachts radeln, kommt es häufig vor dass ich abends im Hotel Besuch von der örtlichen Polizei bekomme, die jede Menge Fragen stellt. Eine Nacht schläft ein Polizist auf einer Matratze vor meinem Zimmer, eine andere Nacht wird mir verboten das Hotel zu verlassen, da in der Nacht eine religiöse Veranstaltung ist und diese öfters das Ziel von Anschlägen sind. Am nächsten Morgen muss ich um 6 Uhr die Stadt verlassen, die Polizei hat Angst wenn mir etwas passiert, gibt es wieder schlechte Nachrichten über Pakistan.

Islamabad

Islamabad from the Margalla Hills
Islamabad from the Margalla Hills

Islamabad ist die Hauptstadt, und anders als die anderen Städte. In den 60er Jahren im großen Maßstab geplant, ist die Stadt in Quadrate unterteilt, sauber und geräumig. In jedem Quadrat gibt es einen „Market“, wo Geschäfte und Restaurants sind.
In Islamabad leben hauptsächlich Menschen, die für die Regierung arbeiten, die UN, NGOs oder große Firmen. Die Häuser haben alle eine Mauer, viele einen privaten Wachmann davor, und viele Polizeiposten an den Straßen.
Ich komme bei Zeeshan unter, einem Couchsurfer, welcher, wie viele der gebildeten Menschen hier, in den USA studiert hat und nun zurückgekehrt ist. Er wohnt mit seiner Familie in einer kleinen Wohnung, abends kommt eine Frau zum kochen und putzen. Es ist selbstverständlich hier, dass die Leute Hausangestellte aus den armen Bezirken haben, es ist eine Art gegenseitige Abhängigkeit.

Lahore

normal traffic in Lahore
normal traffic in Lahore

Lahore ist ganz anders. Laut, dreckig, chaotisch, lebendig. Es gibt viel zu sehen und zu entdecken hier. Viele alte mächtige Gebäude aus der Zeit der Engländer, große Parks mitten in der Stadt, riesige Basare, verwinkelte Gassen in der Altstadt, ein mächtiges Fort und herrliche Moscheen. Ich lerne Dilhas kennen, einen jungen Mann der es sich nicht nehmen lässt, mir die Stadt zu zeigen, und vehement alle Versuche meinerseits etwas zu bezahlen ablehnt. An meinem letzten Abend in Pakistan ruft er mich an und möchte mich morgens noch einmal treffen. Er wartet schon vor meinem Hotel, mit einer riesigen Tüte voller Erdnüsse, Äpfel und pakistanischen Süßigkeiten. Vollbeladen mit dem Essenskram und guten Erinnerungen mache ich mich auf zur Grenze nach Indien.

Nice present from a friend
Nice present from a friend

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