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Indonesien: Flores – Unter Zeitdruck

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September 2014

Ich bin gestresst. Vor mir liegen die Berge von Flores, hoch und grün türmen sie sich direkt an der Küste auf. Hinter mir liegt eine sechsstündige Fahrt auf einer überfüllten und schaukelnden Fähre. Nur einen Sitzplatz an Deck konnte ich ergattern und auf die endlose blaue See schauen. Doch all dies ist nicht der Grund für meinen Stress.

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Es ist vielmehr das Wissen dass ich in zehn Tagen in der Stadt Ende angekommen sein sollte. Von dort will ich ein Schiff nach Timor nehmen und dieses Schiff fährt nur alle zwei Wochen.

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Es geht bergauf. Seit ein paar Stunden. Oft so steil dass ich absteigen und schieben muss. Das ist zwar anstrengender als im kleinsten Gang zu fahren, aber beansprucht andere Muskelgruppen und ist eine gute Abwechslung für meine müden Beine. Die Straße führt mal durch dichten Wald, mal an spektakulären Reisterrassen vorbei. Viele Ortschaften gibt es nicht und ich in froh mich in Labuhan Bajo mit etwas essen eingedeckt zu haben. Am ersten Abend stehen 80 km und 1500 hm auf dem Tacho. Es ist schon dunkel als ich einen Schlafplatz hinter einer Schule finde.

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Es gibt eine geteerte Ost-West-Verbindung in Flores die mitten durchs Inselinnere führt, 650 km von Labuhan Bajo nach Maumere. Mein Ziel, Ende, liegt in der Mitte und ist 350km weit weg. Ich entscheide mich aber für eine Route entlang der Südküste und hoffe dadurch ein paar Höhenmeter einsparen zu können. Nur ein Teil der Strecke ist als dünner Strich auf meiner indonesischen Karte eingezeichnet, doch irgendwie muss es ja eine Verbindung der Dörfer an der Küste geben.

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Es gibt sie, aber es ist nicht immer einfach. Der härteste Teil ist ein Stück gepflasterte Straße. Autos können hier nicht fahren, auch für Motorräder ist es schwierig, da die Steine so groß und holprig sind. Ich schiebe einen halben Tag, dann ist auch dieses Stück geschafft und es geht auf einer steinigen Piste weiter, immer in Meeresnähe. Ab und zu kleine Dörfer, wundervolle Aussichten aufs Meer und viele neugierige und freundliche Menschen.

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Einmal werde ich von Reisbauern eingeladen und bekomme Essen und freundliche Blicke. Fast jeder Mann hier hat ein langes Messer im Gürtel stecken, das normale Arbeitsgerät. Die Felder werden oft von der Dorfgemeinschaft zusammen bewirtschaftet und der Ertrag gerecht aufgeteilt. Zudem wachsen an den Berghängen Nelkenbäume und überall weht der Duft trockener Nelken, welche für den Export in große Säcke gefüllt werden.

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Ein anderes Mal umringen mich in einem Dorf Schulkinder. Nach ein paar Stunden friedlichem und einsamen Radeln ist es ein starker Kontrast plötzlich von nahezu 100 Augenpaaren gemustert zu werden, kichern und lachen zu hören. Ich schaue in die Gesichter und kann die unterschiedlichsten Emotionen erkennen. Die kleineren schauen eher ängstlich drein und halten sich an den Händen. Die Mädchen schauen schüchtern und ein paar fassungslose Gesichter sind auch dabei.

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Mit ein paar Worten auf indonesisch und ein paar Faxen ist das Eis schnell gebrochen und jeder möchte mein Rad anfassen und ein Foto geschossen bekommen.

Kinder haben für mich eine besondere Energie. Sie sind meisten so fröhlich, so unbeschwert und leicht. Machen sich keine Sorgen um die Zukunft und hängen auch nicht mit ihren Gedanken in der Vergangenheit.

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Viele Menschen hier in Indonesien haben sich etwas kindliches bewahrt. Ihr Leben scheint sorgenfreier, mehr gefüllt mit Liebe und Herzlichkeit. Ich werde von Anton eingeladen bei ihm zu übernachten. Er wohnt mit seinen drei Söhnen in einer einfachen Holzhütte an der Straße und arbeitet in der Stadt in einer Agrarschule als Lehrer. Er verdient gerade genug um seine Familie durchzubringen und sein Motorrad zu unterhalten. Sein Besitz würde in ein paar Kisten passen und Reis mit Gemüse ist die Hauptmahlzeit jeden Tag. Doch trotzdem macht Anton keinen unglücklichen Eindruck und und ist stolz dass mir das Essen schmeckt. Geschlafen wird auf der Veranda des Hauses, mit Blick in den Wald. Alle schlafen dicht nebeneinander, es wird kühl in der Nacht und am nächsten Morgen fahre ich weiter.

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Die Landschaft ist wunderschön. Reisterrassen wechseln sich ab mit Stränden und dichtem Wald. Ich liege gut in der Zeit und habe keinen Grund mich zu stressen, trotzdem sind die Tage anstrengend. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit liegt an all den Tagen unter 12 km/h und mehr als 80 km sind nicht drin.

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Ich erreiche Ende nach einer ereignisreichen und schönen Woche und habe noch drei Tage Zeit bis das Schiff geht. Zeit genug um den Kelimutu zu besichtigen. Es sind drei Kraterseen dessen Wasser aufgrund der chemischen Verhältnisse unterschiedliche Farben hat und angeblich auch öfters die Farben ändert. Für die Einheimischen ist es ein spiritueller Ort. Sie glauben, dass die Seelen der verstorbenen zu einem der Seen wandern.

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Beinahe verpasse ich das große Schiff, welches mich nach Timor bringen soll. Timor ist meine letzte Insel in Indonesien.

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