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Australien – Die nächste Insel

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Oktober 2014

Knapp zwei Stunden dauert der Flug über das Meer von Timor, dann tauchen tief unter mir die Umrisse von Australien auf. Das Flugzeug setzt zur Landung an, Häuser und Straßen werden sichtbar, alles scheint in Miniatur wie in einer Spielzeugwelt.

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Mein Gepäck übersteht die Zollkontrolle gut. Australien ist sehr streng was Biosicherheit angeht, alles muss frei von Staub und Dreck sein, jegliches organisches Material ist verboten. Zwei Tage habe ich mein Fahrrad geputzt, so sauber war es noch nie. Es wird streng kontrolliert doch der Zollbeamte hat nichts zu bemängeln.

Bei der Passkontrolle werde mir ein paar Fragen gestellt aber natürlich bekomme ich den Stempel und darf einreisen. Eigentlich bin ich ja schon da, auf australischem Boden, aber die Idee von Nationalstaaten und imaginären Grenzen macht es notwendig dass ein Grenzbeamter es mir erlauben muss hier zu sein.

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Frei wie ein Vogel müsste man sein

 

Ganz anders ist das für die tausenden Menschen die jedes Jahr verzweifelt versuchen in Booten das australische Festland zu erreichen. Wenn die oft völlig überladenen und nicht seetüchtigen Boote nicht im Meer versinken werden sie von australischen Kriegsschiffen und Soldaten der Operation Resolute abgefangen und zurück nach Indonesien oder Timor Leste geschickt. Oder die Leute werden verhaftet und in Abschiebelager auf Papua Neuguinea gebracht. Als regelwidrige Ankunft übers Meer werden diese Vorgänge bezeichnet, die Flüchtlinge stellen laut der Webseite der Australian Defence Force eine Gefahr für australische Meergebiete dar. Die Verse der australischen Nationalhymne „Für die, die über die Meere zu uns kommen, haben wir grenzenlose Ländereien zum Teilen“ können angesichts der brutalen Realität nur als Satire verstanden werden.

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Küste in Darwin, erhofftes Paradies für so viele Menschen

 

Mir ist natürlich bewusst dass ich mit Australien einen anderen Teil der Welt betrete. Den Teil der Welt der sich abschottet um seinen Reichtum nicht mit anderen Teilen zu müssen. Den Teil der Welt der anderen Teilen vorschreiben will wie sie zu leben haben.

Je mehr ich meine zu verstehen wie die Welt funktioniert umso mehr wird mir bewusst, dass wir aus den „entwickelten“ Ländern nicht als Vorbild gelten sollten was unseren Lebensstil und unsere Einstellungen im generellen angeht.

Im Flughafen herrscht reger Betrieb. Es ist ungewohnt so viele weiße Menschen zu sehen – und alle haben so große Nasen. Ich war wohl wirklich zu lange in Asien. Alles ist wohlgeordnet und sauber. Niemand sitzt oder liegt gar auf dem Boden, nirgends sind große Gepäckhaufen zu sehen.

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Ein warmes Wilkommen erwartet mich

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Ich schraube mein Fahrrad zusammen und mache mich auf den Weg zu meinem Couchsurfer Host. Die Straßen sind breit und gut ausgebaut, doch es herrscht kaum Verkehr. Es gibt Fahrradwege und Ampeln die von jedem Verkehrsteilnehmer beachtet werden.Und, was mir am meisten auffällt, es ist menschenleer. Wie ausgestorben wirkt die Stadt auf mich. Ich fahre durch ein Wohngebiet. Große Häuser umgeben von Gärten und geschützt durch Zäune oder Hecken sind ein ganz andere Anblick als bei der morgendlichen Fahrt zum Flughafen in Dili.

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Später am Tag gehe ich in einen Supermarkt. Er ist riesig und es gibt einfach alles. Die Regale sind voll, von jedem Produkt gibt es zahlreiche Varianten. Die Obst- und Gemüseauswahl ist riesig, alles sieht frisch und perfekt aus. Ich verbringe eine ganze Weile in dem Laden, einfach nur um zu gucken. Um viel zu kaufen sind die Preise zu hoch, auch daran muss ich mich erst wieder gewöhnen. Richtig erschreckend wirkt es auf mich dass Leute durch den Supermarkt fahren und beliebig Dinge in ihren riesigen Einkaufswagen packen, ohne überhaupt auf den Preis zu gucken. Bezahlen tuen die meisten Leute mit Kreditkarte, Bargeld wird nicht häufig benutzt. Über den Kassen hängt ein riesiges Schild „Kauf mehr, spare mehr“.

Ich erlebe einen Kulturschock. Vieles ist so fremd aber auch so vertraut, bin ich doch in einer ähnlichen Welt aufgewachsen. Doch ich merke wie ich nun bestimmte Dinge anders wahrnehme und bewerte. Es wird noch eine Weile dauern bis ich mich hier wieder wohlfühle.

Vorbereitungen

Der australische Sommer ist im Anmarsch und ich möchte nicht zu viel Zeit in Darwin verbringen. Zuallererst ist es an der Zeit mein Fahrrad wieder auf Vordermann zu bringen. Neue Reifen sind dringend nötig und auch die Kassette und Kettenblätter möchte ich nach fast 40.000 km mal wechseln. Schon erstaunlich wie lange manche Sachen halten, besonders wenn man von anderen Radlern hört wie oft sie ihre Reifen oder Ketten wechseln. Mein Hinterreifen ist immer noch der erste aus Deutschland, meine Pannenstatistik ist unter 10.

Auch einen neuen Ledersattel brauche ich dringend, nachdem meiner in Indonesien gerissen ist.

Wie gut dass ich einen Bruder habe welcher beim Fahrradversandhändler Bike-Components arbeitet und dem ich einfach meine Wunschliste schicken kann. Nach kurzer Rücksprache mit seinem Boss kann ich dann nur ein paar Tage später ein riesiges Paket bei der Post in Darwin abholen, unkompliziert und zu günstigen Konditionen. Es ist alles drin was ich mir gewünscht habe, sogar neue Bremsen hat mein Bruder rein gepackt. Es dauert einen ganzen Tag mein Rad umzubauen und wieder fit zu machen.

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Wer mehr über den Verschleiß der einzelnen Komponenten wissen will – im Radforum habe ich einen ausführlicheren Artikel dazu verfasst.

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Was mir noch fehlt ist ein extra Gepäckträger, damit ich mehr Essen und besonders Wasser transportieren kann. Ich mache mich auf zum Recyclinghof von Darwin um mich nach geeignetem Material umzuschauen. In einer riesigen Halle stehen etliche alte Fahrräder und auch sonst alle nur erdenklichen Sachen welche von Leuten weggeworfen wurden. Fernseher, Stereoanlagen, Möbel, Küchengeräte, Bücher, Kleidung. Ohne Probleme kann man sich hier einen kompletten Haushalt einrichten – aus dem Müll von anderen Leuten.

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Ich finde ein Gestell von einem Rucksack und ein paar andere Sachen welche ich gut gebrauchen kann. Mein Rad ist also bereit, mein Gepäck sortiert.

Höchste Zeit mal einen Blick auf die Karte zu werfen. Ich werde zwar in den nächsten Wochen immer der selben Straße folgen, doch bei den großen Distanzen ist etwas Planung angesagt: Das Zentrum Australiens ist kaum besiedelt, größere Ortschaften die es verdienen „Stadt“ genannt zu werden gibt es etwa vier auf meiner Route. Dazwischen nur die „Roadhouses“, eine Kombination aus Tankstelle/Hotel/Pub/Geschäft.

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Etwa 3000 Kilometer sind es bis nach Adelaide im Süden. Es ist nicht das erste mal dass ich mir ein so weit entferntes Ziel setze. Doch diesmal ist es etwas anderes. Hier gibt es keine Dörfer oder Siedlungen, keine Geschäfte oder Restaurants, keine Wasserhähne, oftmals sogar nicht einmal Schatten. Es liegen über 100 km zwischen den Möglichkeiten Wasser zu bekommen, dazu Temperaturen von über 40 Grad, Wind von Süden.

 

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Doch am Tag vor der Abfahrt habe ich keine Zeit für Zweifel. Ich verbringe einen tollen Abend mit den Leuten welche mich in Darwin aufgenommen haben, mir geholfen haben meine Sachen zu erledigen und mir sogar genug Essen für die ersten Tage in die Taschen gepackt haben.

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Genug essen für ein paar Tage

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Am nächsten Morgen geht es dann los, am Meer natürlich, welches ich für ein paar Wochen nicht sehen werde.

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Als ich dann am Stadtrand von Darwin das erste Schild sehe – Alice Springs – 1500 km – fühle ich, ein großes Abenteuer steht bevor.

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