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Australien: Geld verdienen im Schlaf

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Arbeiten in Australien

Australien ist unter Reisenden bekannt dafür dass dort einfach Geld zu verdienen sei. Es gibt für viele europäische Nationen ein einjähriges Arbeitsvisum – working holiday visa genannt – und die Löhne sind auf einem hohen Niveau. Auch für mich war das einer der Gründe nach Australien zu gehen – um in ein paar Wochen schnelles Geld zu machen und dann weiter zu reisen. Geblieben bin ich dann doch ein Jahr – gearbeitet habe ich davon nur wenige Monate.

Hier und im nächsten Artikel möchte ich zwei ganz unterschiedliche und außergewöhnliche Jobs vorstellen die ich gemacht habe.

Geld verdienen im Schlaf

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Als ich die Jobangebote im Internet studierte weckte eine Anzeige direkt mein Interesse: Teilnehmer für Schlafstudie gesucht! Fürs schlafen bezahlt werden? Das hört sich ja eher nach einem Traum an.

Es wurden Teilnehmer gesucht die bereit sind für zwei Wochen in einem Schlaflabor zu wohnen unter folgenden Bedingungen:

Es ist nicht erlaubt die aktuelle Uhrzeit zu wissen, das bedeutet kein Handy, kein Computer, kein Fernsehen, Radio oder Internet, keine Zeitung, kein Kontakt nach draußen.

Es muss schlafen gegangen und aufgestanden werden wenn die Versuchsleiter es vorgeben.

Es müssen bestimmte Tests gemacht werden, Fragebögen zum emotionalen Befinden und Computertests zum Reaktionsvermögen.

Tagsüber muss man seine Zeit alleine im Zimmer verbringen, darf lesen oder Filme schauen oder Musik hören, sich allerdings nicht hinlegen oder gar schlafen.

Die Mahlzeiten werden mit den anderen Teilnehmern in einem Gemeinschaftsraum eingenommen. Während den Schlafphasen werden Elektroden am Kopf befestigt um die Gehirnströme zu messen, die Räume sind zudem kameraüberwacht.

Ein kleiner Sensor am Handgelenk wird die ganze Zeit getragen und zeichnet die Bewegungsaktivität auf.

Das hört sich alles erst mal nicht so schlimm an doch es gibt noch einen Haken: Da für die Versuchsergebnisse die Messung der Körpertemperatur wichtig ist muss über die ganze Zeit ein dünner flexibler Plastikschlauch mit einem Temperatursensor im Hintern stecken. Die Daten werden dann in einer kleinen Box an der Hüfte aufgezeichnet. Ich sag es mal so, man kann sich an alles gewöhnen.

Vier Deutsche unter sich

Nach einer Besichtigung des Labors und probetragen des Temperatursensors werde ich für die Studie ausgewählt. Erst beim Einzug lerne ich die anderen Versuchsteilnehmer kennen, es sind drei junge Backpacker, alles deutsche. Jeder bekommt ein Zimmer zugewiesen, ausgestattet mit einem Bett, einem Schrank, Sessel und Tisch und einem großen Bildschirm, zudem ein eigenes Badezimmer.

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Beim Abendessen blödeln wir über unsere Analsensoren und sind neugierig auf die erste Nacht. Was ist denn wenn wir gar nicht müde sind und nicht schlafen können? Das Laborpersonal, fast alles junge weibliche Studenten, versichert uns dass damit noch keiner Probleme gehabt hätte. Denn es geht hier um die Erforschung eines anderen Schlafrhythmus, zwei Schlafphasen pro Tag anstatt einer und auch um Schlafentzug.

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Die ersten zwei Nächte erscheinen noch normal lang doch als nach der dritten Nacht das Licht angeht und ich aufstehen muss, fühle ich mich wie gerädert. Wie lange habe ich geschlafen? Höchstens ein paar Stunden. Den anderen geht es genauso, beim Frühstück sind alle ziemlich müde. Es folgt eine der Testbatterien; Fragebögen, Reaktionstest und ein Fahrsimulator am Computer mit Lenkrad und Gaspedal. Es ist nicht spannend wie eines dieser Autorennspiele sondern todlangweilig. Die Grafik ist simpel und erinnert an einen der ersten Computer überhaupt: Eine grauer Strich als Straße, ein roter Kasten ist das Auto und die Vorgaben sind einfach: In den Kurven 80 fahren, auf gerader Strecke 110 und nicht von der Spur abkommen. Die Simulation scheint ewig zu gehen und hat eine recht einschläfernde Wirkung.

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Die Wachphasen scheinen kurz, nach der nächsten Mahlzeit darf ich wieder ins Bett. Ich versuche einigermaßen Überblick über die vergangene Zeit und die Tage zu behalten doch schnell funktioniert meine innere Uhr nicht mehr. Ohne Sonnenlicht und äußere Einflüsse ist es fast unmöglich.

Die Zeit vergeht, die Schlafphasen sind kurz, unglaublich müde wache ich auf und schleppe mich mit Mühe durch die Wachphasen. Lesen ist manchmal schwer, die Augen drohen mir zu zufallen und ich muss aufstehen und mich bewegen um wach zu bleiben. Den anderen geht es ähnlich. Wir dürfen uns unterhalten und auf dem Flur treffen, doch ein längerer Aufenthalt in den Zimmern der anderen ist nicht erwünscht. Nur bei den Mahlzeiten sind wir zusammen und schauen uns aus müden Augen an. Dadurch dass wir alle deutsch sind und das selbe Schicksal teilen entsteht schnell ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Wir sind so müde dass wir richtig albern werden. Oft kriegen wir uns nicht mehr ein vor lachen, reißen dumme Witze und können kaum noch essen, mit Tränen in den Augen. Die Betreuer müssen denken wir sind total bescheuert. Vielleicht kennen sie es auch schon von anderen Studien, sie lassen sich jedenfalls nichts anmerken.

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Ich verbringe meine freie Zeit meistens mit lesen oder mit schreiben. Nur manchmal schaue ich einen Film wenn ich zu müde für alles andere bin. Nach einiger Zeit haben wir unser Zeitgefühl völlig verloren und denken dass die zwei Wochen eigentlich bald vorbei sein müssten. Wir fangen an Fragen zu stellen. “Wie lange noch? Ist dies die letzte Nacht?” Die Antwort ist immer die selbe: “Das darf ich euch nicht sagen, ihr werded es sehen wenn es vorbei ist.”

Feueralarm

Nur einmal in den zwei Wochen haben wir direkten Kontakt mit der Außenwelt. Wir sind gerade fertig fürs Bett, unsere Köpfe sind verkabelt, als der Feueralarm losgeht. Der Versuchsleiter kommt aufgeregt zu uns, “wir müssen das Labor evakuieren.” Über eine Feuertreppe geht es nach unten, raus aus dem Gebäude. Es ist nachts, eine kühle Sommernacht. Geräusche von Autos um uns herum, Feuerwehr Sirenen die näher kommen, wir stehen nervös mit zwei der Mitarbeiterinnen auf dem Parkplatz neben dem Gebäude. Die Feuerwehr rückt an doch nach ein paar Minuten ist klar, es war ein Fehlalarm und wir müssen zurück in unser selbstgewähltes Gefängnis, ohne Sonnenlicht, ohne Geräusche, ohne Uhrzeit.

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Eines morgens dann nach dem aufstehen wird uns mitgeteilt “Es ist vorbei, nach dem Frühstück dürft ihr gehen” und alle sind erleichtert. Die Tür am Ende des Flures, welche immer verschlossen war und durch welche das Personal rein und raus kam steht nun offen. Wir können die Freiheit sehen und packen unsere Taschen. Es geht nach Hause um endlich wieder lange schlafen zu können.

Ob ich es wieder machen würde? Ich denke schon. Ich hatte Unterkunft und Essen für zwei Wochen, keinerlei Ausgaben, habe mehrere Bücher gelesen und die kompletten Blogartikel über die Australien Durchquerung geschrieben. Es war zwar auch sehr anstrengend immer so müde zu sein und keinerlei Bewegung zu haben, immer nur im selben Raum, aber ich hatte auch viel Spaß mit den anderen Jungs. Und bezahlt war es natürlich auch: 1500 Australische Dollar Aufwandsentschädigung habe ich für die zwei Wochen bekommen.

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