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Irak (Autonome Provinz Kurdistan)

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Zehn Kilometer vor der Türkisch-irakischen Grenze stauen sich die vollbeladenen LKW. Die Fahrer sitzen dazwischen, trinken Tee und spielen Karten. Kein Vorwärtskommen, es dauert bestimmt ein paar Tage bis sie sich vom Ende der Schlange bis an die Grenze vorgeschoben haben. Da ist es mit dem Fahrrad einfacher: Ausreisestempel aus der Türkei fast im Vorbeifahren, auf der irakischen Seite gebe ich im neuen Zollgebäude meinen Pass ab und warte. Ein Mann prüft die Pässe, reicht sie an seinen Kollegen weiter, und dann werden die Namen von einer Computerstimme vorgelesen. „Florian Schmale“ klingt es blechern durch die Halle, ich kann meinen Pass abholen, und darf 15 Tage im Irak bleiben. Genauer gesagt im Nordirak, der Autonomen Region Kurdistan.

Schon vor der Grenze waren mir die vielen LKW mit Autos aufgefallen. Neue, große Autos, Pickups, Geländewagen, und sie beherrschen auch das Straßenbild in Zakho, der ersten Stadt hinter der Grenze. Die jungen Männer alle in schicken Hemden und Lackschuhen, die Frauen mit Make-Up und Kopftuch. An der Hauptstraße Geschäfte mit schicken Klamotten und großen Fernsehern, in den Nebenstraßen die traditionellen Teestuben und kleinen Supermärkte. Es riecht nach Wohlstand.

Seit dem Ende des Krieges wird mehr und mehr Öl gefördert, die Wirtschaft brummt, es lässt sich leicht Geld machen. Ein normaler Angestellter braucht keine Steuern zu zahlen, jede Familie bekommt Grundnahrungsmittel wie Reis, Mehl, Zucker kostenlos zugeteilt. Autos sind billig, und der Liter Benzin kostet nicht mal 40 Cent.
Natürlich geht es nicht allen Menschen gut hier, und viele beschweren sich, dass die Regierung und ausländische Firmen das meiste Geld für sich behalten, und nur einen Bruchteil an die Bevölkerung weitergeben.

Harte Bedingungen

Das Fahrradfahren macht hier nicht so viel Spaß. Baustellen, viel LKW-Verkehr, Staub und Temperaturen bis zu 45 Grad machen mir zu schaffen. Doch ein guter Ausgleich dafür ist die Herzlichkeit der Bevölkerung. Natürlich errege ich überall aufsehen mit meinem Fahrrad, und wenn ich anhalte, stehen schnell mal 10 Leute um mich herum. Oft bekomme ich Wasser oder Eiskrem geschenkt, oder wenn ich mein Essen im Restaurant bezahlen möchte, hat das schon jemand anders für mich getan.


Unglaubliche Gastfreundschaft

Abends halte ich Ausschau nach einem geeigneten Platz für mein Zelt, es wird früh dunkel hier und ich bin müde. Am Straßenrand steht ein junger Mann, die üblichen Fragen auf Englisch „Where are you from?, What is your name?“. Dann ist es meistens vorbei mit den Englischkenntnissen. Als ich deutlich mache, dass ich einen Platz für mein Zelt suche, zum Schlafen, bedeutet er mir mitzukommen, ich könnte bei ihm schlafen. Und so sitze ich kurze Zeit später in einem kurdischen Wohnzimmer auf dem Boden mit einem riesen Berg Essen vor mir. Und auch wenn ich bereits das dreifache wie meine Gastgeber gegessen habe, sind sie nicht zufrieden. „Bucho, Bucho“ („Iss, Iss“) sagt die alte Frau und schaufelt erneut eine Riesenportion Reis auf meinen Teller, bis ich wirklich nicht mehr kann. Jetzt möchte ich eigentlich nur noch schlafen, doch ist das nicht immer so einfach.

Nach und nach kommt das halbe Dorf zu Besuch um den komischen Typen mit dem Fahrrad zu bestaunen. Jeder Neuankömmling bekommt von der Hausherrin ein Glas Tee serviert, und darf sich aus einem Körbchen ein Bonbon nehmen, sehr zur Freude der Kinder. So sitze ich geduldig zwischen den alten Männern, trinke einen zuckersüßen Tee nach dem anderen, während meine Augen immer schwerer werden. Natürlich wird nicht akzeptiert dass ich einfach meine Matte im Hof ausbreite. Abends wird das Wohnzimmer zum Schlafzimmer, Matratzen und Kissen werden geholt, und schon im Halbschlaf merke ich, wie mein Gastgeber mich fürsorglich mit einer zweiten Wolldecke zudeckt, es sind ja nur 30 Grad hier.

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