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Iran? Ist das nicht gefährlich?

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„Iran? Ist das nicht gefährlich?“ – Oft habe ich diese Frage vor meiner Abreise in Deutschland gestellt bekommen, und zurückgefragt: „Warum sollte es gefährlich sein?“ Eine klare Antwort konnte mir kaum einer geben.
Ich denke, gefährlich ist vielmehr die Unwissenheit über den Iran, und die vorschnelle Verurteilung. Die Berichterstattung ist natürlich sehr selektiv: In den europäischen Medien hört man nur über den Atomstreit, antisemitische und antiamerikanische Äußerungen des Präsidenten Ahmadinedschad, und neue Sanktionen der UN. Doch was ein Land ausmacht, ist nicht eine Regierung, ein religiöses Staatsoberhaupt, oder ein Präsident, sondern es sind die Menschen.

Arriving from Irak

Und die Menschen im Iran sind besonders. Schon an der Grenze werde ich freundlich begrüßt: „Welcome to Iran!“, und es dauert nicht lange, bis das erste Auto neben mir hält und ein Mann mich zum Essen in ein Restaurant neben der Straße einlädt. Prima, denke ich, eine erste Gelegenheit ein paar Fragen zu stellen. Doch der Mann hat gar keine Zeit mit mir zu Essen. Er bestellt für mich, bezahlt, verabschiedet sich und fährt weiter.

Das Restaurant ist simpel. Draußen ein Grill, drinnen Teppiche und Kissen. Es gibt nur ein Gericht, welches aus einer großen Portion Reis besteht, dazu hauchdünnes Brot, 2 Fleisch- und einen Tomatenspieß, und eine Schale Joghurt. Ich genieße mein erstes iranisches Essen, danach gibt es natürlich Tee. Doch hier wird der Zucker nicht ins Glas geschüttet, sondern ein Zuckerstückchen wird auf die Zunge gelegt, und dann der Tee in kleinen Schlucken getrunken.

Eine Stunde später auf der Straße: Ein Auto fährt langsam neben mir. Die Scheibe geht runter, eine Hand mit einem Apfel erscheint, dahinter eine lächelnde Frau. „Hello, how are you? Where are you from?“
Fast täglich bekomme ich Sachen geschenkt. Obst, Kekse, Walnüsse, Getränke, ein persisches Gedichtbuch, auch eine Hose, Schmerztabletten, und eine Rohrzange habe ich schon angeboten bekommen – alles aus dem Auto heraus oder neben der Straße.

People often stop to greet me or give me fruits

Die Menschen hier sind natürlich neugierig, in den Städten vergeht keine Minute, ohne dass mich jemand grüßt, Fragen stellt, meistens auf Persisch, oder mich zu sich nach Hause einlädt.
Im Islam gilt der Gast als ein Geschenk Gottes. Für die älteren Menschen ist es eine Ehre einen Ausländer in ihrem Haus zu haben, für die jüngeren eine Chance ihr Englisch zu erproben und über verschiedene Weltanschauungen und Lebensweisen zu diskutieren.

The iranians are very hospitable and warmhearted people

Im Iran ist der Islam Staatsreligion und der Abfall vom Glauben kann mit dem Tode bestraft werden. Frauen ist es vorgeschrieben ein Kopftuch zu tragen, und Oberteile die den Hintern bedecken. In den Dörfern und kleineren Städten hüllen sich fast alle Frauen zusätzlich in ein schwarzes Tuch, welches die Körperkontur verdeckt. Die Frauen sind hier für den Haushalt und die Kinder zuständig, die Männer verdienen das Geld.

If you have doubts about your religious faith…

In den größeren Städten sieht es anders aus. Das Kopftuch sitzt lockerer, Haare sind sichtbar, stark geschminkte Gesichter und modische Schuhe sind an der Tagesordnung. Viele Angestellte in öffentlichen Gebäuden wie beispielsweise Banken und Post sind Frauen, Iran hat mittlerweile eine der höchsten Quoten an weiblichen Studenten weltweit.

Die jungen Leute haben es schwer hier. Ich lerne Hamid kennen, und natürlich hat er eine Freundin – allerdings im geheimen. Die Eltern dürfen es nicht wissen, und nicht die Polizei. Sein Handy und Computer sind passwortgeschützt – niemand darf die SMS und Fotos seiner Freundin sehen, telefoniert wird im Flüsterton. Treffen sind nur in bestimmten Restaurants möglich, oder in einem Park. Es gibt hier so etwas wie eine „Sittenpolizei“, die besonders abends in den Parks kontrolliert. Wird ein Pärchen angetroffen und es kann nicht nachweisen dass es verheiratet ist, ist es schon ein Problem. Haben sie sich nur unterhalten, gibt es eine Verwarnung, oder einen Anruf bei den Eltern. Wurden sie aber beim küssen erwischt, geht es auf die Wache und die beiden haben ein ernsthaftes Problem.

Einen Abend als ich im Park gezeltet habe, wurde auch mein Zelt kontrolliert. Zwei Polizisten haben sich, Maschinengewehr im Anschlag, angeschlichen und als erstes kontrolliert ob noch eine weitere Person im Zelt ist. Als sie merkten dass ich nur ein harmloser Tourist bin, waren sie sehr freundlich, haben sich entschuldigt, und mir die nächste Polizeiwache gezeigt, falls es ein Problem gibt.

People say goodbye after a night in the park

Die jungen Leute stehen nicht hinter diesem System, sie wollen ihre Freiheiten haben. Sie wissen wie das Leben in Amerika oder Europa ist, sie haben Satellitenfernsehen und Internet. Sie wollen Partys feiern, ihren Lebenspartner frei wählen, ihre Meinung sagen, Twittern und sich auf Facebook präsentieren, ohne Angst haben zu müssen mit der Polizei in Konflikt zu geraten.

Einen Abend bin ich auf einer Party in Teheran eingeladen. Es ist eine Geburtstagsparty und ich weiss nicht so genau was mich erwartet. Ein Familienfest? Kuchen und Tee? Es ist ein modernes Mehrfamilienhaus, und schon im Aufzug höre ich laute Bassmusik. Angekommen im fünften Stock. Eine unscheinbare Wohnungstür, Fußabtreter und Klingelschild. Die Tür öffnet sich erst nach mehrmaligem Klopfen, und was mich erwartet sieht mehr nach Nightclub aus nach Familienfeier aus.
Was mir als erstes auffällt sind Haare. Die Mädchen haben Frisuren, keine Kopftücher, kurze Kleider und enge Tops. Große Boxen, ein Dj-Pult, Lichtblitze. Junge Leute tanzen zu Musik welche genauso gut in jedem Elektroklub in Deutschland oder anderswo laufen könnte. Drinks mit Eiswürfeln und Strohhalm. Der Alkohol, illegal hergestellter Likör, kommt aus einem großen Plastikkanister, welcher vom Familienvater gerade in einem Küchenschrank versteckt wird, bevor auch er sich auf die Tanzfläche begibt. Die Mutter steht am Herd und sorgt für Nachschub für das Büffet, auf dem Fernseher flimmern die Bilder der Überwachungskameras: Tiefgarage, Eingangstür, Aufzug – falls die Polizei anrückt.

So etwas ist im Iran also auch möglich – aber warscheinlich nur in Teheran.

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