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Rund um den Annapurna

Rund um den Annapurna

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Nepal ist bekannt für Trekking in den Himalayas. Der bei weitem bekannteste Trek ist derjenige rund um die Annapurna-Gebirgskette. Mein Plan war eigentlich ihn mit dem Fahrrad zu bewältigen, doch viele Leute rieten mir davon ab, zu dieser Jahreszeit seien die Wege zu matschig und zu viele Passagen erfordern es das Fahrrad zu tragen. Ich entschloss mich, den Trek zu laufen, zusammen mit Svenja, einem Mädchen aus Deutschland. In Pokhara tauschte ich mein Fahrrad gegen einen Rucksack, und Svenja besorgte sich einen Porter, der ihren Rucksack tragen sollte.

We started the trek in the small village of Bhulbhule
Wir starteten in dem kleinen Dorf Bhulbhule

Am nächsten Morgen nahmen wir einen Bus, welcher uns nach Bhulbhule (840 m) bringen sollte, von dort wollten wir am nächsten Tag zu Fuß starten. Im Bus fragte ich einen der Einheimischen, wie hoch der Fahrpreis sei. „50 Rupees!“ lautete die Antwort. Wie schon in Indien zahlt man hier während der Fahrt oder erst beim Aussteigen, doch als der Junge, welcher das Geld einsammelte, zu mir kam, verlangte er keine 50 Rupien, sondern nahezu das dreifache. Meine Laune war nicht die beste, saß ich doch schon 6 Stunden in dem vollgepackten Bus, welcher über holprige Straßen ruckelte, und alle paar Minuten anhielt, um Passagiere einzusammeln oder abzusetzen; zudem hatte ich kein Frühstück gehabt. Ich wurde also ein wenig ärgerlich, warum sollte ich mehr bezahlen als die anderen? Nur weil ich Ausländer bin? Das ist einfach nicht fair, und ich machte meinem Ärger Luft. Die 2-Preis-Politik hatte sich hier anscheinend schon eingebürgert, denn der Junge hatte kein Verständnis für meine Beschwerde, und wollte mein schon abgezähltes Geld nicht entgegennehmen. Er schaute mir noch nicht einmal in die Augen, was mich noch mehr verärgerte, sondern rief dem Busfahrer etwas zu, und der Bus stoppte, anscheinend wollte er mich rausschmeißen. Die anderen Passagiere hatten natürlich mitbekommen was vor sich ging, schauten mich an, und fingen an lebhaft zu diskutieren. Ich verstand kein Wort, aber es wurde schnell klar, sie sind auf meiner Seite. Nun hatte der Junge keine andere Wahl, er nahm zähneknirschend den regulären Fahrpreis von mir entgegen, und auch die 3 anderen Touristen in dem Bus mussten nichts extra zahlen.

First rest after an hour of walking
Erste Pause nach einer Stunde laufen

Am nächsten Morgen starteten wir früh, denn tagsüber wurde es ziemlich heiß, und auch die Regenwahrscheinlichkeit stieg im Laufe des Tages.
Trekken in den Bergen verbinden viele mit unberührter Natur, einsamen Bergpfaden und Abwesenheit von Zivilisation. Zumindest auf dem Annapurna Trek ist alles ein wenig anders. Spätestens alle 2 Stunden kamen wir durch ein Dorf, meistens eine Ansammlung von sogenannten „Teestuben“, einfache Unterkünfte mit angeschlossenem Restaurant. Dort gib es vom nepalesischen dal bhat (Reis mit Linsen) bis hin zu Apfelkuchen und Steak mit Pommes alles, was hungrige Trecker zum Überleben brauchen. Auch die kleinen Läden in den Dörfern verkaufen ausschließlich für den Touristenbedarf. Bis zur Passhöhe hin findet man Snickers, Toblerone, Batterien, Klopapier, Sonnencreme, Trekkingausrüstung und Kleidung, aber alles zu dementsprechend hohen Preisen.

Some villages consists almost only of restaurants and tea houses
Einige Dörfer bestehen nur aus Restaurants und Tee-Häusern

In jedem Dorf gelten die gleichen Essenspreise für alle Herbergen, steigend mit der Höhe. Da gerade Nebensaison war, brauchten wir für die Unterkunft nichts zu bezahlen, nur für das Essen, was oft das Mehrfache von dem war, was ich woanders in Nepal für dasselbe Gericht bezahlt hatte. Klar müssen alle Waren in diese entlegenen Gebiete transportiert werden, denn was die Menschen hier anbauen können, reicht oft nicht mal aus, um die eigene Familie zu ernähren. Doch die Zeiten, wo alles auf den Rücken von Menschen oder mit einer Ponykarawane herbeigebracht werden muss, sind vorbei: Auf beiden Seiten des Passes gibt es mittlerweile eine fast ganzjährig befahrbare Strecke, fast bis zum Pass hinauf, was die Transportkosten deutlich senken dürfte.

Ponys are still in use to transport goods over the pass
Auch wenn es mittlerweile eine Strasse gibt, werden in manchen Gebieten noch Waren mit Ponys transportiert

Klar, wer aus Europa mit dem Flugzeug anreist, einen Bus nach Pokhara nimmt und über eine Reiseagentur einen Führer und einen Träger anheuert, der wird sich nicht über die Preise beschweren, da sie natürlich immer noch unter europäischem Niveau liegen. Zumal vielen Touristen der Vergleich fehlt, was die Sachen in Nepal eigentlich kosten. So stieß ich auf wenig Verständnis und erstaunte Blicke, wenn ich Mittags meine Haferflocken mit Milchpulver und Wasser anrührte, anstatt einfach in einem der zahllosen Restaurants zu essen, oder wenn ich versuchte im Laden zu verhandeln, um den Preis zu zahlen den auch die Einheimischen zahlen.

Die Einheimischen sind freundlich, aber desinteressiert an einem als Person. Hier ist man nur der zahlende Gast, einer von vielen tausenden jedes Jahr. Die wenigsten Menschen leben noch von Landwirtschaft oder Handel, nur an der anderen Bergseite, wo kein Touristenweg herführt, sieht man die Menschen Reisfelder mit Wasserbüffeln pflügen.

A farmer is plowing the rice fields with water buffalos
Ein Farmer pflügt sein Feld mit Wasserbüffeln

Das hört sich sicher jetzt alles sehr negativ an, aber ich merkte deutlich den Unterschied zum anderen Nepal – das hier ist großes Touristengeschäft.
Aber es soll ja hauptsächlich um die Berge gehen, die Natur, und für viele Leute auch, eine Strecke aus eigener Kraft zurückzulegen. Auch wenn auf dem Annapurna Trek natürlich die Möglichkeit besteht, einen Jeep zu nehmen, oder ein Motorrad, oder sich auf dem Rücken eines Ponys bis auf den Pass tragen zu lassen.

Sometimes we had to wade trough a river - in this time of the year they had a lot of water
Manchmal mussten wir durch Flüsse waten – zu dieser Jahreszeit haben sie eine Menge Wasser

Ich genoss das laufen, mal eine Abwechslung zum Rad fahren, und ertrage die Schmerzen des ungewohnten Rucksacktragens. Es regnete nicht so oft wie versprochen, auch waren die bei vielen Wanderern so gefürchteten Blutegel kaum ein Problem, und ab und zu gaben die Wolken einen kurzen Blick auf die gigantischen schneebedeckten Gipfel des Annapurna Gebietes frei.

For me it was a change to walk instead of cycle
Ich genoß es mal eine Pause vom Radfahren zu haben

Wir liefen 5-6 Stunden am Tag, klar war es anstrengend, aber machbar, und die müden Beine ließen mich nachts gut schlafen. Während der Regenzeit im Juni sind nicht viele Wanderer unterwegs, ca. 300 im ganzen Monat. Zur Hauptsaison im Oktober sind es dann bis zu 6000, und ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es dann dort zugeht.

Am 6. Tag verschwand der Porter von Svenja, er hinterließ einen Zettel, er müsse zu seiner Familie, ein Notfall sei eingetreten (Später erfuhren wir, dass er in Wirklichkeit mit zwei Amerikanern mitging, die ihm wohl mehr bezahlten). Svenja musste Ihren Rucksack nun selber tragen, da sich in dem Dorf kein Porter finden ließ, der mit ihren Preisvorstellungen zufrieden war.

Immer höher hinauf ging es. Wir mussten nur aufpassen, nicht zu schnell aufzusteigen, damit sich der Körper an die Höhe und den niedrigeren Sauerstoffgehalt der Luft gewöhnen konnte. Einen Tag machten wir einen Abstecher zum Eis-See auf 4600 Meter Höhe, und wieder runter nach Manang auf 3540 m, zur Akklimatisation.

The Ice lake at nearly 4000 meter - it was cold but no ice was there
Der Eis-See auf 4000 Meter Höhe – es war kalt, aber kein Eis zu sehen

Der Höhepunkt und härteste Teil war die Überquerung des Thorung La Passes (5416m). Wir schliefen im High Camp (4850 m), und am nächsten Tag ging es dann auf den Pass hoch, hier war die Höhe deutlich zu spüren. Man merkte die Lebensfeindlichkeit der Natur, das Atmen wurde schwer, jeder Schritt war anstrengend, jeder Stein lud zum Ausruhen ein. Doch wir wurden gewarnt stehen zu bleiben. Manchen fällt es schwer weiterzulaufen, und hier oben ist man schnell ausgekühlt, wenn keine Hilfe kommt.

A buddhist symbol near the High Camp
Ein buddhistisches Symbol nahe dem High Camp

Am Pass angekommen, nur ein kurzer Halt, ein Erinnerungsfoto. Die Bude, wo es Tee und Essen gibt, war zu dieser Jahreszeit geschlossen, und der Abstieg ins nächste Dorf dauerte 5 Stunden. Ein steiler, steiniger Pfad, die Gelenke schmerzten, als wir Muktinath (3800 m) am Nachmittag erreichten. Der Pass war überwunden, und nun ging es nur noch bergab. Ein weiterer Tag bis Jomsom (2720 m), von dort nehmen die eiligen ein Flugzeug oder einen Bus, wir liefen natürlich zu Fuß weiter und trafen ein paar andere Trecker wieder.

The Thorung La Pass is with 5416 meters one of the highest in the world
Der Thorung La Pass ist mit 5416 Metern einder der höchsten Pässe der Welt

Bergab lief es sich gut, und die Landschaft änderte sich schnell, nur drei Tage nach der kargen Steinlandschaft um den Pass, liefen wir wieder durch dichten Dschungel, und mussten auf wackeligen Brücken reißende Flüsse überqueren. Nach 15 Tagen laufen erreichten wir in Nayapul (1070m) die Teerstraße, von wo uns ein Bus zurück nach Pokhara brachte.

The landscape changed fast - just a few days after the pass we walked trough  a dense and humid forest
Die Landschaft änderte sich schnell – nur ein paar Tage nach dem Pass liefen wir durch dichten, feuchten Wald

Ob ich es wieder machen würde? Ja, aber dann ganz bestimmt mit dem Fahrrad.

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