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Laos: Abenteuer im Dschungel

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Radeln unter Sternenhimmel

Ich bin unterwegs auf dem Bolaven – Plateau in Süd-Laos. Eine Piste bringt mich zu dem imposanten Katamok-Wasserfall, welchen ich im Abendlicht bewundere ehe ich weiterfahre. Es fängt schon an zu dämmern und ich überlege was ich mache falls ich es nicht mehr zurück auf die Teerstraße schaffe. Ein Zelt habe ich dabei, und das Wasser sollte auch reichen.

Im Licht der Abendsone geht es über eine gute Piste zum Wasserfall
Im Licht der Abendsonne geht es über eine gute Piste zum Wasserfall


Schnell wird es dunkel hier und seit vor ein paar Wochen mein Dynamo kaputt gegangen ist habe ich kein Licht mehr am Rad. „Nicht so schlimm“, denke ich mir, „ich habe ja noch meine Taschenlampe“, trete aber trotzdem fester in die Pedale. Ein paar Minuten später stelle ich fest, dass die Taschenlampe leer ist, sie war ausversehen an und hat meine Tasche von innen beleuchtet. Mittlerweile ist es stockdunkel, links und rechts ist nur Dschungel und über mir ein schmales dunkelblaues Band wo die Sterne leuchten. Ich fahre langsam weiter, fühle die Huckel und Schlaglöcher erst wenn es schon zu spät ist. Eigentlich sollte ich anhalten und mein Zelt aufbauen. Das kann ich auch im Dunkeln. Doch die Wand aus Blättern und Büschen scheint undurchdringlich, kein ebener Platz für mein Zelt ist auszumachen.

Der beeindruckende Katamok-Wasserfall
Der beeindruckende Katamok-Wasserfall
Schnell wird es dunkel hier, links und rechts der Piste nur Dschungel
Schnell wird es dunkel hier, links und rechts der Piste nur Dschungel

Zumal ich noch am Morgen gewarnt wurde die Wege zu verlassen, denn es lägen noch etliche nicht explodierte Bomben aus dem Vietnamkrieg herum. Diese Gegend hier wurde von den Amerikanern besonders stark bombardiert, es war ein beliebter Rückzugsort für die Nordvietnamesischen Truppen. Überhaupt wurden während des Krieges über Laos mehr als 2 Millionen Tonnen Bomben abgeworfen, das sind mehr als während des gesamten zweiten Weltkrieges, was Laos zu dem meist-bombardierten Land der Welt macht. Dabei war es offiziell neutral, nie wurde eine Kriegserklärung ausgesprochen.
Also Zelten ist mir nicht ganz geheuer hier, ich füge mich meinem Schicksal und radel weiter durch die Dunkelheit. Hat ja auch was Schönes, radeln unterm Sternenhimmel, wenn doch nur die Straße ein wenig besser wäre. Irgendwann sehe ich ein paar Lichter, es scheint eine Art Siedlung zu sein. Ich kann ein paar Holzhütten erkennen, ein paar Menschen sitzen um ein Feuer. Ich stelle mein Rad ab und trete in den Feuerschein, „Sabaidee“ begrüße ich die Menschen. Ein kleines Kind fängt an zu weinen, andere verstecken sich ängstlich hinter den Erwachsenen welche mich erstaunt anstarren. Mit ein paar Worten Lao und Gesten erkläre ich, dass ich einen Platz zum Zelten suche, um morgen, wenn es hell ist, weiterzufahren. Die Menschen schütteln den Kopf, weichen meinen Blicken aus und wissen nicht so recht etwas mit mir anzufangen. Ich gehe zum nächsten Feuer und wiederhole meine Erklärung, die Leute hier scheinen mich zu verstehen, obwohl sie kein laotisch sprechen, ich vermute sie gehören zur Hmong Minderheit.
Während der Indochinakriege wurden Hmongs als Soldaten „benutzt“. Im ersten Indochinakrieg gab es eine 40 000 Mann starke Hmong-Armee unter der Führung von 400 französischen Generälen, später dann wurden schätzungsweise 60 000 Hmong von der CIA in drogenfinanzierten Feldzügen gegen die Vietnamesen als Kanonenfutter verbraucht. Mehr Informationen und einen sehenswerten Film hier und hier.

Dieser Mann lud mich in seine Hütte ein
Dieser Mann lud mich in seine Hütte ein

Ein alter Mann ist mutig und freundlich und lädt mich sogar zu sich in seine Hütte ein, ich brauche mein Zelt nicht aufzubauen. Schnell koche ich noch eine Suppe unter den nun neugierigen Blicken der Kinder und lege mich schlafen. Früh beginnt der Tag hier, noch vor der Dämmerung steht der alte Mann auf und kocht einen riesigen Topf Reis für mich. Viel zu viel fürs Frühstück, und er ist erst zufrieden als ich eine große Menge einpacke für den Tag.

Am nächsten Morgen im Hellen sind die Menschen nicht so mißtrauisch wie in der Nacht zuvor.
Am nächsten Morgen im Hellen sind die Menschen nicht so mißtrauisch wie in der Nacht zuvor.

Schlafen auf dem Reisfeld

Ich möchte eine Piste durch einen Nationalpark fahren, die auf der Karte als „Während der Regenzeit nicht passierbar“ eingetragen ist. „Wird schon nicht so schlimm sein“, denke ich mir, „die Regenzeit ist ja fast vorbei.“ Ein paar Kilometer weiter stehe ich dann vor dem ersten Schlammloch und muss mein Rad über Umwegen durch den Dschungel schieben. Die nächsten Schlammlöcher lassen nicht lange auf sich warten, mal gibt es eine Umfahrung, mal bleibt kein anderer Weg als mittendurch.

Eines der weniger tiefen Schlammlöcher
Eines der weniger tiefen Schlammlöcher, im Hintergrund das Bolaven Plateau

Abends schlafe ich bei einer Familie. Wieder brauche ich mein Zelt nicht aufzubauen, sie bieten mir einen Schlafplatz in der provisorischen Hütte mitten auf dem Reisfeld an, wo die Familie während der Erntezeit wohnt. Einfach ist das Leben hier, aber auch hart. Hier sehe ich zum ersten Mal, dass die Menschen den Reis nicht schneiden, sondern die einzelnen Ähren mit den Fingern abzupfen, da sie keine (mechanischen) Geräte zum Dreschen haben. Nachdem der Reis dann getrocknet ist, wird er in einer Art Mörser gestampft um die Schale zu entfernen. Es ist harte Arbeit um auf diese Weise eine Tagesration Reis zu schälen. Strom gibt es nur durch ein kleines Solarpanel, welches gerade für eine Glühbirne reicht und zum Laden der Taschenlampe und des kleinen Radios was der Vater besitzt.

Morgens wird als erstes die Tagesration Reis gekocht
Morgens wird als erstes die Tagesration Reis gekocht

Die restlichen Besitztümer sind schnell aufgezählt: Ein paar Töpfe, Mückennetz und Decken, ein Radio und natürlich haben die beiden Jugendlichen ein neues Smartphone auf dem sie vor dem Schlafengehen die neusten Laotischen Pop-Hits hören.
Hier in Laos gibt es in nahezu jedem Dorf, egal wie abgelegen, ein Geschäft für Telefone. Die neusten Modelle, meistens aus chinesischer Produktion, werden extrem günstig angeboten und sind Statussymbol unter den jungen Leuten. Netz gibt es mittlerweile auch fast überall und natürlich kommt mit den Telefonen die große Welt des Internets mitten in den Dschungel. Die Menschen können Youtube-Videos schauen und auf Facebook surfen. Sie leben hier im Dschungel, haben nur ihre Hütte und ihr Reisfeld, das Leben wird von der Natur und den Traditionen bestimmt, und gleichzeitig haben sie Zugang zu dieser hochmodernen Technologie.

Ich frage mich wie sie damit zurechtkommen und denke es hat bei weitem nicht nur positiven Einfluss. Wie auch für das Fernsehen gibt es fürs Internet keine „Bedienungsanleitung“, niemanden der den Menschen erklärt dass nicht alles was sie da sehen der Realität entspricht. Es weckt das Verlangen nach dem vermeintlichen westlichen Lebensstil welcher in Musikvideos und Spielfilmen vermittelt wird, und es weckt auch die Gier nach Geld und Besitztümern.

Diese Auswirkungen bekomme ich direkt am nächsten Morgen zu spüren: Ich merke dass die Familie Geld von mir erwartet und ich gebe ihnen 50000 Kip (5 Euro), was in Laos viel Geld ist, mehr als ein Hotelzimmer kosten würde. Für mich ist es völlig in Ordnung Geld abzugeben, nicht als direkte Bezahlung für die Übernachtung oder weil sie es erwarten, sondern einfach weil ich mehr habe als die Familie und sie es besser und nötiger gebrauchen können als ich. Ohne große Gesten strecke ich also dem Vater die Scheine hin, er nimmt sie, zählt sie nach und steckt sie ein. Die Frau fragt nach wie viel es ist, und schaut mich an. Doch ich habe das Gefühl anstatt, dass diese Leute dankbar sind, sind sie von dem Geldbetrag enttäuscht. Als ob sie erwartet hätten, dass ich ihnen einen Traktor kaufen würde (was ja toll wäre aber dann für mich doch zu teuer). Leider ist es hier oft so, dass die Menschen einen farang, also einen weißen, für unermesslich reich halten.

Die einfache Hütte mitten im Reisfeld
Die einfache Hütte mitten im Reisfeld
Hier wird der Reis per Hand gestampft um die Schale zu entfernen.
Hier wird der Reis per Hand gestampft um die Schale zu entfernen.

Eine andere negative Auswirkung des Internets überall bekam ich ein paar Tage vorher in einem Tempel zu spüren. Ein Mönch wurde ausgesucht mit mir zu kommunizieren, da er das meiste Englisch sprach. Leider beschränkte sich dieses auf „Where are you from?“, „What is your name?“, und „Beautiful woman, fuck me on the bed!“, gefolgt von einem hämischen lachen. Diesen Satz hatte er aus einem Pornofilmchen auf seinem Handy. Als sich dann der oberste Mönch mit mir unterhalten wollte und der besagte Mönch als Übersetzter dienen sollte, wiederholte er immer wieder seine drei Sätze, bis auch der oberste Mönch merkte dass die Englischkentnisse seines jüngeren Kollegen wohl doch nicht so gut waren wie gedacht.

Mitten im Wald
Mitten im Wald

Zurück in den Dschungel: Ich fahre weiter durch etliche Schlammlöcher, durchwate hüfttiefe Flüsse mit dem Rad auf der Schulter und verfahre mich schließlich bei dem Versuch ein riesiges Schlammloch weiträumig zu umfahren mitten im Wald. Ich lande auf einem Weg wo schon lange kein Auto mehr unterwegs war, manchmal ist der Weg durch Gestrüpp versperrt, einmal sogar durch einen Baumstamm.

Es ist eine schlammige Angelegenheit und das vorwärtskommen ist sehr mühsam.
Es ist eine schlammige Angelegenheit und das vorwärtskommen ist sehr mühsam.

Irgendwann kommen mir zwei Vietnamesen entgegen, welche mir mit Zeichensprache bedeuten, nach Champasak (mein Zielort) gäbe es hier kein Durchkommen, das Wasser im nächsten Fluss wäre zu hoch. Das hatte ich auch von dem letzten Fluss gehört und es war trotzdem möglich.

So einige Flüsse und Schlamm- und Wasserlöcher müssen überwunden werden.
So einige Flüsse und Schlamm- und Wasserlöcher müssen überwunden werden.

Doch ich war sowieso kurz davor umzukehren, denn bis jetzt hatte mir niemand klar bestätigt dass man durchkommt und es ist mir auch niemand begegnet der aus Champasak kam. Auch hatte ich keine Ahnung wie weit es noch war, zum ersten Mal auf meiner Reise denke ich an ein GPS- Gerät. Als mir die beiden Jungs dann noch erzählen es gäbe einen zweiten Weg zurück, wo es eine Brücke und eine Fähre über die Flüsse gibt, entschließe ich mich zurückzufahren. Bis zum Abend schaffe ich das meiste der Strecke für die ich auf der anderen Route anderthalb Tage gebraucht habe. Es gibt tatsächlich eine provisorische Brücke und eine wacklige Holzfähre, ein Dorf mit einem kleinen Laden (aber ohne Strom), und völlig verdreckt und erschöpft kommen ich und mein Rad in der Dunkelheit in dem Dorf an, wo ich einen Tag vorher frühmorgens gestartet war. Ich ärgere mich ein wenig denn jeder den ich nach dem Weg fragte, bestätigte mir es sei der Weg nach Champasak, doch niemand versuchte mir zu erklären dass es noch einen anderen, viel einfacheren und besseren Weg gibt, den die meisten Leute benutzen.

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Immer wieder muss ich mein Fahrrad abladen und durch Schlammlöcher tragen welche zu tief zum durchfahren sind.
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Wenn es mal nicht matschig ist, ist es sehr steinig

So kommt diese Strecke auf die Liste der Strecken die ich einmal in meinem Leben radeln möchte, doch wahrscheinlich wird sich in den nächsten Jahren auch dort viel verändern und irgendwann werden sich die Asphaltiermaschinen ihren Weg durch den Dschungel bahnen und eine perfekte, glatte Straße hinterlassen. Nicht immer zur Freude eines Radlers.

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