Letzte Tage in Laos
Die letzten Tage in Laos verbringe ich auf Don Det, einer Insel auf dem Mekong. Der Mekong ist hier sehr breit und zahlreiche kleine Inseln und Inselchen ragen aus den braunen Fluten empor. Don Det ist eine der größeren, mit dem Rad braucht man eine Stunde um einmal rum zufahren. Bevor es zur Grenze geht statte ich den mächtigen Mekongfällen einen Besuch ab.
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Probleme an der Grenze
Ich erreiche den kleinen Grenzübergang, auf laotischer Seite sitzen die Grenzbeamten in einem Metallcontainer, das Fenster so tief dass ich auf die Knie gehen muss um den Grenzbeamten zu sehen. Zehn Minuten Diskussion um 2 Dollar inoffizielle „Stempelgebühr“, die ich am Ende nicht bezahle. Ich schiebe mein Rad unter der Schranke hindurch, für Autos ist diese Grenze noch geschlossen und alle Grenzgänger müssen ihre Fahrzeuge verlassen und im neuen Land in ein anderes einsteigen.
Ein neues modernes Grenzterminal wartet kurz dahinter auf seine Einweihung, dann können auch Autos die Grenze passieren, doch noch steht alles leer und wirkt ein wenig gespenstisch.
Dahinter auf der kambodschanischen Seite dann ein Gesundheitscheck, Fiebermessen, einen Dollar soll es kosten. Ich winke ab und die Frauen fragen auch nicht weiter nach. In einer kleinen Holzhütte kann man sein „Visa on arrival“ beantragen. Ein Formular ausfüllen, ein Passbild und 20 Dollar, das sind die offiziellen Anforderungen. Ein handgeschriebener Zettel besagt Visa 1000 Baht oder 30000 KIP was jeweils ca. 30 Dollar entspricht. Ich sage dem Grenzbeamten ich zahle in Dollar und halte ihm eine 20 Dollar-Note hin. Zwei glasige , blutunterlaufene Augen schauen mich böse an, es riecht nach Alkohol. „20 Dollar Visa, 5 Dollar Stempelgebühr“ sagt er. Ich merke schon, hier wird es nicht so einfach wie auf der laotischen Seite, ich bin alleine mit dem Grenzbeamten und er ist stur. Ich auch. Zum Glück werden hier in Asien Diskussionen nicht laut geführt, die Stimme wird mal etwas erhoben, aber es wird nicht geschrien und auch keine Wut gezeigt. Ansonsten würde man sein Gesicht, sein Ansehen, seine Würde verlieren. Ich wiederhole einfach ruhig aber bestimmt, dass ich nur 20 Dollar zahle, ich hätte noch nie etwas von einer Stempelgebühr gehört. Und der Grenzbeamte wiederholt stur „Visa 20 Dollar, stamp fee 5 Dollar!“ So geht es vielleicht 20 Minuten, dann gibt er auf, nimmt meinen 20 Dollar Schein und klebt mir das Visum in den Pass.
Ich gehe zur nächsten Holzhütte, wo etwa 10 Personen auf 5 Quadratmetern „arbeiten“ und die Pässe stempeln. Sie haben mitbekommen dass ich keine Stempelgebühr bezahlt habe und ignorieren mich einfach. Ein Bus voller Touristen kommt, der Reiseleiter hat einen großen Stapel Pässe in seiner Hand und die werden natürlich bevorzugt behandelt. Schließlich hat er für den reibungsfreien Ablauf eine Stempelgebühr bezahlt, da bin ich mir sicher.
Nach einer halben Stunde warten und hinhalten meines Passes bekomme ich dann auch meinen Pass gestempelt und kann weiterfahren.
Es geht mir nicht um die 5 Dollar die ich spare, und ich kann auch verstehen wenn ein Grenzbeamte oder Polizist sich eine Extra-Gebühr ausdenkt um sein oft viel zu niedriges Gehalt aufzubessern, aber an dieser Grenze ist das Ganze ein großes Geschäft. Pro Jahr kommen über 3 Millionen Touristen nach Kambodscha, die Hälfte davon über die 6 Landgrenzübergänge. Viele werden kein Visum brauchen da sie aus Nachbarstaaten sind, aber es sind trotzdem noch eine Menge Leute die diese Grenze überqueren, und wenn auch jeder nur ein oder zwei Dollar extra zahlt, macht das eine ganz schön große Summe aus.
Einladung bei einer Familie
Ich fahre eine Strecke von Strung Treng nach Siem Reap. Die Straße ist gerade erst geteert worden und es herrscht kaum Verkehr. Nur vereinzelt gibt es Dörfer, die meisten Menschen in Kambodscha wohnen am Mekong oder am großen Tonle-Sap-See. Manchmal sehe ich ärmliche Hütte am Straßenrand, neu gebaut aus ein paar Brettern, doch kein Shop oder Restaurant, auch kein Garten oder Farmland in der Nähe und ich frage mich wovon die Menschen leben und warum sie ihre Hütten direkt an der Straße bauen.
Ein junger Mann auf einem Motorrad spricht mich auf Englisch an wo ich denn übernachten würde. Ich sage dass ich zelten will, hier gibt es ja nicht so viele Übernachtungsmöglichkeiten. Er lädt mich zu sich ins Dorf ein um seine Familie zu besuchen. Die Menschen sind sehr herzlich, direkt wird Essen aufgetischt und die wichtigsten Fragen beantwortet.
Offen erzählt die Mutter vom Leben hier, von der harten Arbeit auf der Farm, von den Problemen der Menschen. Es gibt kein fließendes Wasser, die Menschen sammeln Regenwasser oder pumpen es aus einem der Brunnen, von denen mehrere von Entwicklungshelfern in dem Dorf errichtet wurden. Auch gibt es keinen Strom, zumindest nicht aus der Leitung. Die Stromversorgung läuft über Autobatterien von denen jeder Haushalt mehrere besitzt. Die reicheren Leute besitzen einen dieselbetriebenen Stromgenerator und wenn es abends dunkel wird, wird es gleichzeitig auch laut wenn die Generatoren anfangen zu rattern.
Ich frage die Familie nach den Hütten am Straßenrand, warum dort Leute leben, wovon sie sich ernähren. Es sind Flüchtlinge, Vertriebene. Opfer des sogenannten Landgrabbings. Menschen die ihre Häuser und Felder verlassen mussten, weil die Regierung ihr Land verkauft hat, meistens an ausländische Firmen welche dort eine Palmöl- oder Zuckerrohrplantage errichten. Menschen die eines Tages von der Polizei aus ihren Häusern getrieben wurden und mit ansehen mussten wie ihre Hütten und Felder von Bulldozern zerstört wurden. Landgrabbing gibt es nicht nur in Kambodscha, doch hier hat es in den letzten Jahren ein besonders großes Ausmaß angenommen. Über 2,6 Millionen Hektar Land wurden von der Regierung an fremde Firmen verkauft oder verleast.
Als die roten Khmer in den 70ern an der Macht waren wurde der Privatbesitz abgeschafft, Besitzurkunden wurden vernichtet und so wird es der Regierung heute leicht gemacht einfach so riesige Flächen Land zu verkaufen. Den Menschen wird natürlich eine Entschädigung versprochen oder ein anderes Stück Land gegeben doch in der Realität werden die Entschädigungen nicht bezahlt oder sind lächerlich gering, die neuen Siedlungsgebiete sind viel zu klein, haben keinen Zugang zu Wasser, geschweige denn Strom oder Straßen.
So bleibt vielen von diesen Menschen nichts anderes übrig als sich irgendwo eine neue Hütte zu bauen, mit ungewisser Zukunft.
Die Regierung bemüht sich zwar in den letzten Jahren, unter anderem mit deutscher “Hilfe”, Landbesitzurkunden auszustellen, trotzdem geht der Ausverkauf weiter. Mitschuld haben auch EU-Handelsabkommen, welche Produkten aus Kambodscha einen zollfreien Import und Minimalpreise garantieren. Das hat zu einem „Zuckerboom“ in Kambodscha geführt, die Produktion ist in den letzten Jahren um das Hundertfache gestiegen, auf Flächen die ehemals von Bauern für ihren Nahrungsbedarf bewirtschaftet wurden, und jetzt von großen Firmen für den Zuckerexport.
Ich bleibe noch einen Tag bei der Familie und lerne nicht nur die schlechten Dinge kennen die in Kambodscha passieren, sondern vor allem die guten. Die Herzlichkeit der Menschen, und auch die Leichtigkeit die man sonst oft nur bei Kindern findet. Es wird viel gelacht und gelächelt.
Einmal mehr verbringe ich eine Nacht in einem Tempel, und werde wieder freundlich aufgenommen. Nach ein paar Tagen radfahren erreiche ich Siem Reap und die alten Tempelanlagen von Angkor.