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Myanmar: Ein Autorennen und TV-Abend

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Einführung:
Als ich zu meiner Reise aufbrach, hatte ich nicht gedacht, dass es für mich möglich sei durch Myanmar mit dem Fahrrad zu reisen. Obwohl seit einigen Jahren Reformen auf einen demokratischen Wandel und Öffnung des Landes hoffen lassen, waren 2012 alle Landgrenzen für Ausländer geschlossen; eine Ein- und Ausreise war nur mit dem Flugzeug möglich und das kam für mich nicht in Frage.

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Nationalflagge seit 2012: Gelb für Solidarität, Grün für Frieden und Ruhe, Rot für Mut und Entschlossenheit

Tourismus, und auch Radtourismus gibt es zwar schon länger, allerdings sehr limitiert und meistens organisiert von Regierungsunternehmen.

Doch in den letzten Jahren ist in Myanmar so einiges in Bewegung geraten. In 2010 wurde die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, Vositzende der National League for Democracy (NDL), aus ihrem fast 20 Jahre währenden Hausarrest freigelassen. 1990 hatte ihre Partei die Wahlen gewonnen, der Wahlsieg wurde vom Regime allerdings nicht anerkannt.

Umfangreiche Reformversprechen zur Demokratisierung, aber besonders zur wirtschaftlichen Öffnung um ausländische Investoren anzulocken, veranlassten 2012 die Regierungen der USA und einiger europäischer Länder ihre Sanktionen gegen das Land aufzuheben.

Doch jeder Wandel braucht Zeit. Viele Mitglieder der neuen zivilen Regierung sind ehemalige Militärangehörige. Menschenrechtsverstöße sowie zahlreiche ungelöste und gewalttätige Konflikte mit Minderheiten bestehen fort, große Gebiete des Landes sind für Ausländer weiterhin unzugänglich.

Ende 2013 kam dann die Nachricht, es sei nun möglich an 4 Grenzübergängen von Thailand aus nach Myanmar einzureisen. Ziemlich schnell war für mich klar, diese Möglichkeit muss ich nutzen und dieses spannende Land bereisen. Und natürlich gerade mit dem Fahrrad um direkten Kontakt zur Bevölkerung zu haben.

31. Dezember 2013

Über die Grenze

„Das Fahrrad können sie aber nicht mit nach Myanmar nehmen.“ sagt der thailändische Grenzbeamte ohne aufzuschauen, während er in meinem Pass blättert. Wie bitte? So etwas habe ich noch an keiner Grenze gehört. „Natürlich kann ich. Schließlich habe ich es nach Thailand reingebracht, also kann ich es ja wohl auch wieder mit raus nehmen“, antworte ich, immer noch verdutzt. Dieser Logik kann der Grenzbeamte wohl nicht widersprechen, er nickt nur und sagt „Okay, aber auf der Brücke ist radeln verboten.“ Mae Sot, der Grenzort in Thailand, ist über eine Brücke mit Myawaddi in Myanmar verbunden. Als auch Anselm, mein Mitreisender, seinen Ausreisestempel im Pass hat, schieben wir unsere Räder über die Brücke.

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Diese Brücke verbindet Thailand mit Myanmar

Der Linksverkehr wechselt auf die rechte Seite und die Beamten an der Grenze in Myanmar sind sehr freundlich und zuvorkommend. „Fahrräder, kein Problem“ sagen sie uns. Schnell haben sind unsere Pässe gestempelt und wir sind erfolgreich nach Myanmar eingereist. Nur 100 Meter von Thailand entfernt, ist es doch wie in einer anderen Welt. Der Verkehr ist dichter; im Gegensatz zu den Thais, wissen die Burmesen was eine Hupe ist und benutzen diese auch fleißig. Viel mehr Menschen sind auf den Straßen unterwegs, die Häuser sind heruntergekommen, man sieht direkt, dieses Land ist nicht so entwickelt wie Thailand.

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Am Grenzposten geht es schnell, nach 5 Minuten haben wir unsere Pässe gestempelt
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Wir sind nicht die ersten Radler hier, doch natürlich sind die Menschen neugierig

Nachdem wir etwas Geld auf dem Schwarzmarkt gewechselt haben, fahren wir direkt weiter. Die Straße führt über eine Bergkette und wir haben gelesen, sie soll in keinem guten Zustand sein. Sie ist so schmal, dass sie immer nur in eine Richtung geöffnet ist. Und tatsächlich, nach 10 Kilometern geht es bergauf und der Asphalt weicht einer staubigen Piste. Autos voll mit Menschen, und überladene LKWs rasen an uns vorbei, als ob es ein Autorennen wäre.

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Gewagte Überholmanöver mit viel Gehupe, nur um dann in der nächsten Kurve warten zu müssen, da ein Bus irgendwie feststeckt.
Es ist heiß und staubig. Als wir endlich oben ankommen, ist es höchste Zeit für eine Pause um etwas zu essen.

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Anselm auf einem besseren Abschnitt der Straße
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Die großen Busse haben Schwierigkeiten sicher die Kurve zu kriegen
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Hier sieht man Menschen am Straßenrand Geld sammeln für einen neuen Tempel

Essenszeit

Doch wie bestellt man ein Gericht, wenn man die Sprache nicht spricht und die Schrift nicht lesen kann? Wir suchen uns ein Restaurant an der Straße. Mehrere silberne Alutöpfe stehen bereit und eine lachende Frau öffnet die Deckel für uns. Wir zeigen auf das entsprechende Gericht, Fleisch in einer öligen Currysauce, und setzten uns an den Tisch. Reis wird hier sowieso serviert. Doch innerhalb von Minuten bekommen wir nicht nur das ausgesuchte Curry mit Reis, sondern mehr und mehr Schalen mit verschiedenen Gemüse, Saucen und uns unbekannten Sachen aufgetischt, bis der ganze Tisch bedeckt ist. Es hört gar nicht mehr auf und wir fragen uns, wer das alles essen soll und was es kosten wird?

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Drauf zeigen und dann essen funktioniert immer
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Wir bestellen nur ein Gericht doch so sieht der Tisch danach aus. Wir werden satt und sehr teuer war es auch nicht

Mit übervollen Bäuchen radeln wir weiter. Zum Glück geht es bergab und die Straße ist in besserem Zustand. Die Autos rasen weiterhin an uns vorbei, halten dann aber immer wieder an und stecken bereitstehende Wasserschläuche hinter ihre Reifen um die Bremsbeläge zu kühlen.

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Nachmittags ist nicht viel Verkehr und wir radeln gemütlich bergab

Als wir unten ankommen, ist es Zeit eine Unterkunft zu suchen. In Myanmar dürfen Ausländer nur in lizenzierten Hotels schlafen, was für Radreisende oft schwierig ist. Denn es gibt diese nur in größeren Orten, und auch müssen Ausländer einen deutlich höheren Preis zahlen als Einheimische. Diese Differenz ist eine staatliche Steuer und geht zu 100 Prozent an die Regierung. Wir nehmen uns vor, so wenig wie möglich in Hotels zu schlafen, um unsere Reisekasse zu schonen und die Regierung nicht zu unterstützen. Denn es sind dieselben Männer an der Macht wie vor ein paar Jahren, nur dass sie nicht mehr der Armee angehören.

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Diese jungen Mönche heißen uns willkommen

Schlafen im Tempel

An diesem Abend fragen wir in einem Tempel nach einem Schlafplatz und werden herzlich aufgenommen. Als wir unsere Zelte aufbauen wollen, zeigt uns ein Mönch einen Platz im Tempel wo wir schlafen können. Es ist der 31. Dezember 2013, Silvesterabend, doch wir sind zu müde um dies zu feiern. Anscheinend hat der Tempel den einzigen Fernseher des Dorfes – eigentlich 2 Fernseher, abends kommen die Dorfbewohner um sich vor den Flimmerkisten zu versammeln. Auf einer läuft Fußball und auf der anderen eine burmesische Seifenoper, so ist für jeden etwas dabei.

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Silvesterabend vor dem Fernseher
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Guten Morgen Myanmar, Guten Morgen 2014

Um 10 Uhr ist die Fernsehstunde vorbei, weil es keinen Strom mehr gibt. Müde und überwältigt von den vielen neuen Eindrücken schlafen wir ein.

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Nachts kühlt es ganz schön ab, dieser kleine Mönch friert ordentlich in seiner Robe