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Myanmar: 10 Tage durchs Hinterland

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(Fotos markiert mit * sind von Anselm)

10 Tage durchs Hinterland

11. Januar 2014: Yangon nach Setkaw, 106 km, 99 hm, Ø 16,6 km/h

Anselm und ich verlassen Yangon und entscheiden uns für eine Route westlich des Irrawaddy Flusses. Es geht über eine große und stark befahrene Straße nach Westen aus der Stadt raus, doch nach etwa 20 Kilometern ebbt der Verkehr ab. Wir fahren über eine riesige Brücke über den Fluss und dann auf einer kleinen, aber noch asphaltierten, Straße in Flussnähe.

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Ochsenkarren als Transportmittel sind noch häufig zu sehen. *

Die Straßenqualität ist streckenweise gut, streckenweise erbärmlich. Mal eine geteerte Straße, mal nur ein holpriger, steiniger Weg. Es geht durch Felder und kleine Dörfer, wo die Leute uns neugierig anstarren und winken, und durch kleinere Städte, wo der Verkehr jedesmal dichter wird. Dafür gibt es dort eine bessere Essensauswahl. Reis gibt es zu jedem Essen, dazu verschiedene Curry. Anstatt Wasser gibt es grünen Tee in jedem Restaurant.

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Mittagessen in einem Restaurant.

Manchmal werden wir unauffällig von Polizisten verfolgt, zwei Männer auf dem Motorrad, mit Funkgeräten am Gürtel. Sobald wir ihren Zuständigkeitsbereich verlassen drehen sie ab. Abends wird es immer etwas schwierig einen Zeltplatz zu suchen. Anscheinend benachrichtigt jeder Landbewohner in Myanmar die Polizei sobald er irgendwo zwei Ausländer sieht, besonders abends auf einem Feld. An zwei Tagen finden wir einen einsamen Zeltplatz, eine Nacht wird unser Zelt wieder von Polizisten bewacht. Im nächsten Artikel werde ich genauer über eine nächtliche Begegnung mit der Polizei schreiben.

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Ein schöner Zeltplatz, wäre da nicht die Neugierde der Menschen und die Polizei. *
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Eine riesige Brücke doch kaum Verkehr. *
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Eine Pagode welche einen Zahn Buddhas besitzt
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Die Burmesen sind sehr religiös.

15. Januar 2014: Kyangin nach Pyay, 67 km, 225 hm, Ø 16,3 km/h

Bei einer näheren Betrachtung meines Vorderrads bemerke ich gleich drei gebrochene Speichen. Kein Wunder bei diesen Straßen. Ich hatte das Vorderrad in Thailand neu einspeichen lassen, da die Kugellager des Nabendynamos kaputt waren. Die neuen Speichen sind wohl von minderer Qualität oder schlecht eingespeicht – oder beides. Natürlich habe ich Ersatzspeichen dabei, doch beschließe in der nächsten Stadt einen Fahrradmechaniker die Arbeit machen zu lassen. Ich habe gerade keine Lust das Rad auszubauen und Mantel und Schlauch zu entfernen. Wir radeln also die zehn Kilometer in die nächste Stadt, Pyay, und finden schnell an einer Straßenecke einen Mechaniker. Ich gebe ihm meine Ersatzspeichen und schaue voller Erstaunen, wie er einfach die gebrochene Speiche aus dem Nippel schraubt und die neue hinein. Ganz ohne Rad rausnehmen und Mantel entfernen. Wieder was gelernt. Es dauert nur 5 Minuten, eine Bezahlung lehnt er ab.

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Pause und Einladung zu Zuckerrohr. *

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Abendstimmung am Fluss.

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17. Januar 2014: Pyay nach Thayet, 81 km, 213 hm, Ø 15,1 km/h

Weiter geht es auf der rechten Flussseite, die Straße soll hier besser sein. Wir wollen am Abend mit einer Fähre auf die linke Seite übersetzen. Der Irrawaddy ist sehr breit und im Gegensatz zum Mekong gut schiffbar. Es gibt keine richtige Anlegestelle, es ist einfach ein Sandufer am Fluss. Viele kleine Boote fahren ständig hochbeladen mit Menschen und Waren auf die andere Seite. Doch der Preis denn die Bootsmänner uns nennen ist ziemlich heftig. Ich kann mir nicht vorstellen dass die Burmesen den selben Preis zahlen. Es gibt aber auch noch eine große Autofähre, welche viel günstiger ist. Die Fähre wird vollgepackt mit LKW, Autos, Motorrädern und Menschen, ein Wunder dass sie überhaupt noch schwimmt. Doch wir kommen sicher auf der anderen Seite an und müssen noch nicht mal etwas bezahlen. Es ist schon dunkel und nachdem wir etwas zu essen gekauft haben, finden Anselm und ich einen Platz für unsere Zelte auf einem etwas unebenen Feld.

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Die Brücken sind meistens alt und wackelig, auch eine Eisenbahn fährt hier rüber.
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Auf solchen Straßen ist es schwer zu fahren.

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18. Januar 2014: Thayet nach ?, 66 km, 753 hm, Ø 9,7 km/h

Am morgen probieren wir eine Straße zu finden die es zumindest auf der Karte gibt. Schnell verfahren wir uns auf sandigen Wegen und landen in kleinen Dörfern wo die Leute uns komisch anstarren. Die Kinder haben Angst vor uns und Ich komme mir vor wie ein Außerirdischer mit seinem hochmodernem Raumschiff auf einem unbekannten Planeten. Hier scheinen Ochsenkarren noch das normale Verkehrsmittel zu sein und eine Stromleitung die neueste Errungenschaft.

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Wo geht es denn jetzt lang? *

Fragen nach dem Weg schlägt fehl, wir suchen uns die Wege nach dem Kompass aus, schieben steile, erdige Ochsenkarrenwege hinauf und fahren über schmale Feldwege, zum Erstaunen der dort arbeitenden Frauen. Nach ein paar Stunden sind wir auf der gesuchten Straße und es geht etwas schneller voran, zumindest auf den asphaltierten Stücken. Der Rest ist dann eine sandige, steinige Piste. Die Landschaft hat sich dramatisch verändert auf den letzten Kilometern. Von der grünen Flussebene geht es nun hinauf in eine hügelige Landschaft. Dicht bewaldet und trocken erinnert sie mich fast an eine europäische Herbstlandschaft. Es ist ein anstrengender Tag, die Hitze, der Staub, die Straße, die Durchschnittsgeschwindigkeit von unter zehn Stundenkilometer sagt alles. Abends schlagen wir uns völlig erschöpft bei anbrechender Dämmerung neben die Straße. Es wird eine ruhige Nacht.

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Schließlich doch noch auf der “Hauptstraße” gelandet. *

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19. Januar 2014: ? nach Minhla, 60 km, 609 hm, Ø 10,6 km/h

Die Landschaft bleibt hügelig, die Straße sandig. In einem Tal erblicke ich lauter Zelte. Es sieht aus als ob ein Indianerstamm hier sein Lager aufgeschlagen hat. Erst als wir in den nächsten Ort fahren, lernen wir dessen Bedeutung kennen. Anscheinend gibt es hier Ölvorkommen. Jeder der ein Stück Land besitzt hat einen Brunnen gebohrt und pumpt mit einfachen Pumpen das schwarze Gold nach oben. Die Tippis sind die Bohrgestänge, mit Planen als Schutz gegen die Sonne abgedeckt. Die Ölvorkommen scheinen räumlich sehr begrenzt zu sein, nur an bestimmten Flecken reiht sich Zelt an Zelt.
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Auch beim bloßen durchfahren des Dorfes lässt sich die „Goldgräberstimmung“ spüren. Die kleinen Shops am Straßenrand sind gefüllt mit Obst, Lebensmitteln, Kleidung, Handys und Elektronikgeräten. Eigentlich sind es nur ein paar Bambushütten an der Hauptstraße, doch es ist viel los hier. Jeder scheint emsig beschäftigt zu sein. Das Öl wird von den Bohrlöchern in große Kanister gefüllt, welche mit dem Motorrad oder einer Schubkarre zu einer Sammelstelle gebracht werden. Dort wird es von ölverschmierten Männern umgefüllt in Fässer, diese dann von alten LKW abtransportiert. Auch ein paar große Tanklastwagen stehen herum. Es muss einige Stunden dauern für diese Fahrzeuge diese Gegend über die schlechte Straße zu erreichen. Aber anscheinend lohnt es sich.

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Abends dann bauen wir die Zelte in einem verlassenem Tempel neben der Straße auf. Die Polizei kommt trotzdem, obwohl uns doch niemand gesehen hat. Haben die etwa einen GPS Sender an unseren Rädern versteckt? Sie bieten uns an in der Polizeistation im nächsten Dorf zu schlafen. Eigentlich eine gute Option, sind wir doch ziemlich müde und haben keine Lust mehr schon wieder im dunkeln einen neuen Zeltplatz zu suchen. Das Dorf ist nur zwei Kilometer entfernt weswegen die Polizisten darauf verzichten uns zu begleiten und auf ihren Motorrädern davon düsen. Doch dann ist da die perfekte Gelegenheit für uns den Polizisten ein Schnäppchen zu schlagen: Neben der Straße ist ein riesiger Heuhaufen, dahinter ein ebener Platz wo tagsüber der Reis gedroschen und getrocknet wird. Wir verschwinden hinter dem Heuhaufen, doch der Platz wird nachts von einem alten Mann bewacht. Er hat nichts dagegen dass wir dort schlafen. Keine fünf Minuten später steht das Zelt und wir liegen drin. Dann hören wir den Mann telefonieren. Der wird ja wohl nur einen Freund anrufen denken wir. Doch anscheinend hat es jeder Landbewohner in Myanmar eingebläut bekommen, sobald sie einen Fremden sehen, die Polizei zu benachrichtigen. Ein paar Minuten später kommen die Motorräder, doch die Polizisten nehmen es mit Humor, warscheinlich hatten sie schon nach uns gesucht. Wir bleiben im Zelt liegen und hören Gelächer und Gespräche. Wenig später wird es wieder ruhig, nur zwei Männer unterhalten sich noch. Sie wurden abkommandiert, neben unserem Zelt zu schlafen. Am nächsten Morgen entdecken wir sie durchgefroren in dünne Decken gewickelt auf etwas Stroh gebettet. Da hatten wir es im Zelt wärmer und bequemer.

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Zelten unter Polizeibewachung.

Nach 10 anstrengenden aber schönen Tagen erreichen wir die Tempelanlagen von Bagan, eine der top Sehenswürdigkeiten Myanmars.