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Myanmar: Ärger mit der Polizei

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Ärger mit der Polizei

20. Januar 2014: ? to Salin, 87 km, 230 hm, 14,2 km/h

Wir sind vorsichtig geworden, suchen uns unsere Schlafplätze erst in der Dämmerung und achten darauf, von niemandem gesehen zu werden. So warten wir auch heute bis gerade kein Verkehr ist, bevor wir auf einen Feldweg in die abgeernteten Reisfelder abbiegen. Ein Mann auf einem Ochsenkarren kommt uns entgegen und fragt wo wir hin wollen. Ich bedeute ihm ich müsste mal aufs Klo, das scheint ihn zu beruhigen/belustigen und er fährt weiter. Wir finden einen idealen Platz, versteckt hinter einem großen Strohhaufen.

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Unerwünschter Besuch von der Polizei.


Gegen sieben Uhr, es wird gerade dunkel, kommt dann doch die Polizei, keine Ahnung wer die gerufen hat.

Es läuft wie immer nach dem selben Schema ab:

Als erstes kommen die Dorfpolizisten auf einem Motorrad, keine Uniform, keine Ausweise, kein Englisch. Sie sind höflich, schreiben unsere Passdaten ab, telefonieren und warten abseits auf die Ankunft der Immigrations Polizei. Doch heute sagen sie wir könnten hier schlafen und fahren davon.

Ein paar Stunden passiert garnichts. Sollten wir diesmal wirklich hier schlafen können? Diese Hoffnung wird zerstört als ich nachts von Motorengeräusch wach werde. Ein schneller Blick auf die Uhr, es ist beinahe Mitternacht. Ich drehe mich wieder um und mache die Augen zu. Diesmal haben Anselm und Ich abgesprochen uns nicht so einfach vertreiben zu lassen. Wir wollen sehen wie weit wir gehen können und wie weit die Polizei geht. Warum können die auch nicht früher kommen anstatt mitten in der Nacht?

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Es ist ein perfekter Zeltplatz.

Ich höre wie mehrere Motorräder näher kommen, Fusstritte und Stimmen. Jemand rüttelt an meinem Zelt. „Hallo! Polizei, Polizei. Kann ich Ihnen helfen?“ Das ist immer die erste Frage die sie stellen und die jeder Polizist auf englisch zu lernen scheint. Ich antworte mittlerweile „Ja, Sie helfen mir indem sie mich in Ruhe lassen und wieder gehen“, was sie immer verdutzt schauen lässt.

Als das rütteln am Zelt nicht aufhört krabbel ich schließlich heraus und bin überrascht bei dem Anblick der sich mir diesmal bietet: Mindestens 25 Menschen mit Taschenlampen stehen im Halbkreis um mein Zelt und starren mich an. Es muss dazu gesagt werden, wir sind weitab vom nächsten Dorf. Die meisten tragen einen Parka und haben Wollmützen auf, sie gucken mich grimmig an. Ein paar Meter weiter haben zwei Männer etwas Stroh von dem großen Haufen genommen und angezündet. Die Flammen lassen die Schatten der Männer hin- und her zucken und geben der gesamten Szenerie eine unheimliche Atmosphäre.

Der Wortführer sagt er sei von der Immigrations Polizei und möchte meinen Pass sehen. Ich reiche ihm meinen Pass, frage aber meinerseits nach einem Ausweis. Woher soll ich wissen dass dies wirklich die Polizei ist? Da könnte ja jeder kommen. Natürlich bekomme ich keinen Ausweis zu sehen, und auch ist niemand bereit seinen Namen, Dienstgrad, oder Dienststelle auf ein Blatt Papier zu schreiben.

Ich denke in jedem anderen Land hätte ich Angst, wenn ich plötzlich nachts auf einem Feld von ein paar Polizisten umrundet wäre. Die könnten alles mit mir machen. Doch dies ist Myanmar und hier ist es etwas anders. Die Polizisten sind sehr höflich und geben auch keine direkten Anweisungen oder wedeln mit der Waffe. Zumindest nicht uns gegenüber, als Touristen haben wir eine Sonderstellung.

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Und so friedlich in der Nacht – bis die Polizei kommt.

Nachdem ich meinen Pass zurück habe, kann die Diskussion beginnen:

Polizist: „Ihr könnt hier nicht schlafen!“

Ich: „Warum nicht?“

P: „Es ist gefährlich.“

I:“Was ist gefährlich?“

P: „Schlangen.“

I: „Kein Problem, die können nicht ins Zelt.“ (zeige auf den geschlossenen Zelteingang)

P: „Es ist gefährlich, es gibt hier viele Diebe.“

I: „Ach Blödsinn, Myanmar ist sehr sicher, die Leute freundlich. Außerdem ist das Rad doch abgeschlossen.“ (zeige auf das dicke Fahrradschloss)

P: (überlegt) „Ihr könnt hier nicht schlafen. Der Strohhaufen könnte anfangen zu brennen.“ (zeigt auf ein paar Männer die von der Feuerwehr sein sollen)

I: „Wie soll der Strohaufen anfangen zu brennen wenn ich hier schlafe? Außerdem, was machen die dann da?“ (Zeige auf die Männer die das Strohfeuer angezündet haben)

(Polizist weist die Männer an, das Feuer sofort zu löschen)

P:“Der Landbesitzer erlaubt euch nicht hier zu schlafen.“

I: „Wo ist der denn, kann ich ihn selber um Erlaubnis fragen?“ (Ich kann mir nicht vorstellen dass ein burmesischer Bauer wirklich etwas einzuwenden hätte dass wir auf seinem Feld zelten, es sei denn natürlich er wird von der Polizei unter Druck gesetzt.

P: „Das geht nicht, er ist nicht hier. Aber hier ist jemand von der Behörde für Landwirtschaft und Bewässerung.“ (deutet auf einen anderen Mann, der nickt)

I: „ Können wir den Bauern anrufen?“

Schließlich schieben sie einen alten Mann nach vorne und behaupten er sei der Eigentümer. Keine Ahnung ob es stimmt oder nicht.

Ich erkläre dass ich müde bin nach einem harten Tag, schon geschlafen habe, mich hier sicher fühle, keine Hilfe brauche, kein Problem sehe hier zu schlafen und keine Absicht habe mein Zelt wieder einzupacken. Dann lege ich mich einfach wieder ins Zelt.

Während der Diskussion ist deutlich geworden, nicht alle Männer sind Polizisten. Eine Gruppe steht etwas abseits und lacht manchmal leise wenn ich dem Polizisten widerspreche. Das kennen die Leute hier nämlich nicht, einem Polizisten Widerworte zu geben und ich bin mir schon im klaren darüber, dass ich hier gerade die Autorität der Polizisten gehörig untergrabe. Mich können sie nicht so einfach verprügeln oder einschüchtern oder wegsperren wie sie es mit ihren Landsleuten tuen, und das wissen sie.

Ich liege also wieder im Zelt und die ganze Gruppe zieht nun zu Anselms Zelt, der hat nämlich die ganze Zeit dort gelegen und gelauscht. Die Diskussion geht von vorne los.

„Ihr könnt hier nicht schlafen!“

„Warum nicht?“

„Es ist gefährlich.“

“Was ist gefährlich?“

Irgendwann rückt der Polizist dann mit der Wahrheit raus: Wir sind in seinem Bereich, er ist zuständig und darf uns hier nicht schlafen lassen da Ausländer in Myanmar per Gesetz in lizenzierten Hotels zu schlafen haben. Deswegen möchte er uns in das nächste Hotel befördern. Zudem kann er nicht verstehen warum wir es vorziehen auf einem Feld im Zelt zu schlafen. Ich denke er ist wirklich davon überzeugt uns nur zu helfen.

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Was auch immer dass heisst…

Dann sagt er noch etwas was mich nachdenklich macht: „Ihr seid Gäste hier in meinem Land, also müsst ihr euch auch an die Regeln halten.“

Das hört sich erstmal vernünftig an, aber stimmt es wirklich? Natürlich verhalte ich mich in einem fremden Land so, dass ich niemandem auf die Füße trete oder verletze. Ich respektiere kulturelle und religiöse Regeln. Oftmals halte ich mich mit meiner wahren Meinung zurück und mache manchmal aus Höflichkeit Sachen welche ich nicht wirklich will. Und bevor ich jemanden beschuldige oder wütend werde, überlege ich mir gut ob meine Reaktion gerechtfertigt ist oder nicht.

Aber wenn eine Regierung eine sinnlose Regel einführt, welche niemandem von Nutzen ist, muss ich diese dann akzeptieren? Besonders wenn diese Regierung viele Menschen im Land unterdrückt und ausbeutet, Krieg mit Panzern gegen Teile der eigenen Bevölkerung führt, und die Armee und Geheimpolizei bis in die Gegenwart diverse Menschenrechtsverbrechen begeht?

Ich denke nicht dass ich mich an diese Regel, nur in lizenzierten Hotels zu schlafen, halten muss, aber nun ist die Polizei da und die Diskussion führt uns nicht weiter. Die Polizisten drohen unsere Sachen einzupacken, aber mehr als eine Tasche von links nach rechts tragen trauen sie sich nicht. Doch sie werden uns warscheinlich nicht in Ruhe lassen bis wir hier verschwunden sind.

Wir packen also wieder einmal unsere Zelte ein und schieben unsere Räder im Scheinwerferlicht der Motorräder zurück zur Straße. Die Gesichter der Polizisten zeigen Erleichterung. Sie haben ihren Job erledigt, uns sind sie los und sie können zurück nach Hause. Uns wird bewusst was für einen Großeinsatz wir hier ausgelöst haben. Neben den fünf Motorrädern auf dem Feld stehen ein paar weitere am Straßenrand, zudem zwei Gelände- und ein Pritschenwagen. Er soll uns und unsere Räder zum nächsten Hotel bringen, 15 km weiter. Wir ziehen es vor zu radeln, nicht aus den Augen gelassen von zwei Polizisten auf dem Motorrad und den uns anlächelnden Nicht-Polizisten auf dem Pritschenwagen, welcher uns im Schrittempo folgt. Das Hotel ist eine lokale Absteige, die Zimmer sind Abteile aus Pappwänden, gerade groß genug für ein hölzernes Gestell mit einer dünnen Decke.

Ach, wie schön war es doch in meinem Zelt.

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