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Myanmar: Der Süden – In unbekanntem Gebiet

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Februar 2014

Vom Inle See geht es mit dem Bus in den Süden. Nur ungern verlade ich mich und mein Rad in einen Bus. Nicht nur empfinde ich eine Busfahrt als anstrengend, es ist mir wichtig möglichst jeden Kilometer mit dem Rad zurückzulegen. Doch das 28-Tage-Visum ist abgelaufen, eine Überziehung kostet 3 US Dollar pro Tag und es sind über 1000 km zum südlichen Ende, wo ich Myanmar verlassen möchte. So bleibt nur die 9-Stunden- Busfahrt nach Moulmein, es liegt auf der Höhe des Grenzübergangs Myawaddi, wo Anselm und ich 28 Tage früher eingereist sind.

Abschied von Anselm am Busbahnhof in Moulmein
Abschied von Anselm am Busbahnhof in Moulmein

Anselm fährt zurück nach Thailand und ich mache mich alleine auf in den Süden Myanmars.

Touristisch unerschlossen, bis vor kurzem noch Sperrgebiet für Ausländer, habe ich keine Ahnung was mich erwartet.

Freundliche Menschen und schlechte Straßen

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Straßenschilder auf Englisch und Burmesisch
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Zeltplatz in einer Kautschukplantage

In 4 Tagen radel ich die knapp 400 Kilometer nach Dawei. Unentdeckt zelte ich in Kautschukplantagen oder zwischen Büschen.

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Das gesammelte Kautschuk wird geformt, gepresst und getrocknet und dann nach China exportiert

Nachdem ich in Dawei unter Polizeibegleitung ein Hotel gefunden habe, geht es als erstes ins Internetcafe. Es ist wichtig für mich geworden, einmal pro Woche meine Emails zu checken. Das Internet ist meine Kontaktmöglichkeit, mein Fenster zur Welt ausserhalb des aktuellen Reiselandes.

Ich habe eine neue Email von Buggi, ein deutscher Radler mit dem ich schon seit Monaten Informationen austausche, doch „über den Weg geradelt“ sind wir uns noch nicht. Er ist gerade in Dawei. Die Stadt ist nicht sonderlich groß, schnell finde ich sein Hotel und wir beschließen am nächsten Tag zusammen weiter nach Süden aufzubrechen.

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Buggi und sein Fahrrad Berta

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Die Straße ist mal gut und mal schlecht. Es geht größtenteils parallel zum Meer durch endlose Kautschuk- und Palmölplantagen.

Einzige Versorgungsmöglichkeit sind die kleinen Dörfer an der Hauptstraße. Die Neugierde, besonders aber auch die Freundlichkeit der Menschen beeindruckt mich erneut.

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Diese beiden Jungs geben ihr Taschengeld aus um kalte Getränke und Elektrolyte für zwei weiße Radler zu kaufen – in anderen Teilen der Welt unvorstellbar. Kokosnüsse werden getrocknet für den Verkauf.

Diese Menschen, die oft nicht mehr besitzen als eine kleine Bambushütte und ein paar Töpfe, machen trotz aller Schwierigkeiten und Umständen das Beste aus ihrem Leben. Sie sind immer bereit ein Lächeln zu verschenken oder eine Einladung zum Essen oder Trinken auszusprechen.

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Diese Familie kocht für uns und lehnt jede Bezahlung ab. Sie sind erstaunt als wir bezahlen wollen und finden diese Idee komisch – hier spielt Geld eine untergeordnete Rolle.
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Täglich werden wir auf einen Kaffee oder Essen eingeladen – diese Gastfreundschaft ist mit dem Verstand nur schwer zu begreifen doch mit dem Herzen fühlt es sich ganz natürlich an.
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Schulkinder bestaunen den komischen Gast auf dem komischen Fahrrad

Kommunikation auf sprachlicher Ebene ist mangels Englischkenntnissen der Burmesen und mangels Burmesischkenntnissen unsererseits nur eingeschränkt möglich, doch manchmal ergibt sich dann doch die Möglichkeit für eine gute Unterhaltung auf Englisch.

Angesprochen auf den „politischen Wandel“ und die „Öffnung Myanmars“, Begriffe welche oft in den westlichen Medien auftauchen, fängt ein alter Mann an zu lachen. „Du glaubst doch nicht dass sich dadurch etwas für die Menschen verbessert hat?“ fragt er mich. Er erzählt mir vom so genanntem „landgrabbing“, welches in letzter Zeit stark zugenommen hat. Die Regierung, die Armee oder der Armee nahestehende Firmen, bringen auf vermeintlich legalem Wege oder mit Gewalt Land in ihren Besitz und vertreiben die dort ansässigen Farmer. Wer protestiert wird eingesperrt.

Das Land für einen neuen Tiefseehafen nahe Dawei, für mehrere Kraftwerke und Betonfabriken, und auch das Gelände der vielen Armeestützpunkte soll auf diesem Wege Menschen entzogen worden sein. Entschädigungen gibt es nicht, den Menschen bleibt nichts anderes übrig als ihr Land, welches ihre Lebensgrundlage ist und was sie manchmal seit Generationen bewirtschaften, zu verlassen und irgendwo neu anzufangen.

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Auch scheinen viele Menschen keine Hoffnung mehr in Aung San Suu Kyi zu haben. Zwar findet sich in jedem Dorf ein Büro und Plakate der „National League for Democracy“, doch begeisterte oder hoffnungsvolle Worte höre ich nirgendswo.

Für Interessierte hier ein paar Links:

Landgrabbing in Myanmar (in english)

Farmers rise up at land grab by army-owned company (in english)

Berichte der „Asian Human Rights Commission“ über Menschenrechtsverbrechen in Burma (in english)

Birmas Militär kassiert beim Wandel (auf deutsch)

Die meisten Touristen bekommen von diesen Dingen nicht so viel mit oder wollen es auch gar nicht wissen. Nur wer genau hinschaut und sich informiert, stellt fest, dass in Myanmar, dem „Land des Lächelns“(Reiseführer), die Lebensrealität für die Bevölkerung ganz schön hart ist und einem das Lächeln ganz schnell vergehen kann, angesichts der Berichte über Raub, Vergewaltigung und Mord durch das Militär, über Folter, Zwangsarbeit und Menschenhandel, um nur die schlimmsten Verbrechen zu nennen.

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Schild an einer der vielen Baustellen
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Die Straße ist nur stückweise geteert

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Schlechte Straßen fordern nicht nur dem Radler sondern auch dem Rad einiges ab.

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Delfine und See Zigeuner

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Am Hafen in Myeik

Myeik ist die nächste größere Stadt. Am Hafen ist viel los, kleine und größere Boote werden emsig be- und entladen. Auf dem Markt und in Geschäften finden sich viele thailändische Produkte, die Grenze ist nicht weit entfernt und es wird vieles geschmuggelt.mysouth29

Das letzte Stück zum südlichen Ende von Myanmar ist noch Sperrgebiet. Vor ein paar Wochen sind zwar zwei deutsche Radler ohne Sondergenehmigung durchgekommen, doch ein britischer Radler musste vor ein paar Tagen mit dem Bus weiterfahren.

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Junge Mönche beim morgendlichen Almosengang
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Fisch wird häufig getrocknet oder geräuchert um ihn haltbarer zu machen
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Junge Mönche beim morgendlichen Almosengang

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Buggi und ich entscheiden uns, das letzte Stück mit dem Boot zurückzulegen. Das ist deutlich komfortabler als ein Bus und bestimmt auch schneller. 40 Dollar kostet das Ticket für Ausländer, für Burmesen nur die Hälfte.

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Am Hafen
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Im Hintergrund das Boot welches uns nach Kawthoung bringen wird.

Der Küste vorgelagert sind mehrere hundert kleine Inseln. Es ist der Lebensraum der Moken. Diese Menschen werden auch „Sea-Gypsies“ genannt. Sie leben in der Trockenzeit auf ihren Booten, auf See, vom Fischfang und Handel. Nur in der Regenzeit gehen sie für länger an Land, reparieren ihre Boote und wohnen in einfachen Behausungen auf den Inseln. Es sind Seenomaden, deren traditionelle und naturverbundene Lebensweise bedroht ist. Die burmesische Regierung versucht diese Menschen an Land anzusiedeln; Ölbohrungen und Überfischung zerstören deren Lebensgrundlagen. Vom Tourismus sind diese Inselgruppen bis jetzt noch verschont geblieben, doch lange wird es bestimmt nicht mehr dauern, bis die ersten Tauch-Resorts gebaut und die Strände und Delfinvorkommen durch die Tourismusindustrie vermarktet werden.

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Die Bootsfahrt dauert 6 Stunden, kleine und größere Inseln flitzen vorbei, manche so klein dass nur ein paar Palmen darauf Platz finden. Das Boot hält zwischendurch um Passagiere aus kleinen hölzernen Booten aufzunehmen oder abzusetzen; Anlegestellen gibt es keine.

Delfine tauchen öfters im Wasser auf, es ist ein schöner, letzter Tag in Myanmar, einem Land welches mir gut in Erinnerung bleiben wird.

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Letztes Frühstück in Myanmar – ich werde es vermissen.