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Timor – Die geteilte Insel

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September/Oktober 2014

Es ist Zeit für mich Abschied zu nehmen von Indonesien. Und bald auch von Asien.

Kupang ist eine größere Stadt und wichtiges Handelszentrum in diesem Teil von Indonesien. Ich verbringe eine Weile dort, organisiere mein Visum für Timor Leste und ein paar andere Sachen.

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Für Touristen gibt es nicht so viel zu sehen in Kupang was auch daran liegen mag dass einfach nicht viele Touristen hier herkommen. Oft habe ich es schon erlebt dass Sehenswürdigkeiten einfach erschaffen werden und oft gar nicht so besonders sind.

Ein paar Studenten, welche mich vom Motorroller aus angesprochen haben für ein Foto, frage ich was es denn so zu sehen gibt. Außer dem nahen Strand, welcher ziemlich vermüllt und abends voller Menschen ist, fällt ihnen nicht viel ein.

Ich habe allerdings von einer Höhle mit einem unterirdischen See gehört, goa crystal genannt. Den Namen haben die Mädchen schon mal gehört und nach ein paar Telefonaten wissen sie auch ungefähr wo der Ort ist. Wir verabreden uns für den nächsten Tag und finden nach einigem Suchen die Höhle. Es ist nur ein kleiner Eingang durch den das Sonnenlicht einfällt und zu einer bestimmten Tageszeit den See im Inneren anstrahlt.

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Radeln nach Timor Leste

Von Kupang sind es 300 km bis zum Ostteil der Insel, welcher den Staat Timor Leste bildet. In drei Tagen fahre ich die Strecke welche ganz schön bergig ist. Oft muss ich schieben da die Straßen so steil sind. Die Landschaft ist karg, trocken und öde, die Luft deutlich heißer und trockener als auf den anderen indonesischen Inseln. Es ist schon mehr australisches Klima und die Temperaturen eine gute Einstimmung auf meinen nächsten Kontinent.

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Doch erstmal geht es nach Timor- Leste, dessen jüngere Geschichte recht blutig ist. Direkt nach der Unabhängigkeit von Portugal 1975 marschierte die indonesische Armee ein und etablierte ein brutales System der Unterdrückung. Manche Schätzungen gehen von fast 200.000 Toten während der 25 Jahre langen Herrschaft des großen Nachbarn aus, wohlgemerkt bei einer damaligen Gesamtbevölkerung von 800.000. Die Annektion durch Indonesien wurde weltweit öffentlich verurteilt, hinter den Kulissen allerdings besonders von der amerikanischen und der australischen Regierung aus verschiedenen Interessen gutgeheißen. Eine interessante (und erschreckende) Dokumentation über die Hintergründe und den Genozid findet sich hier:

The Indonesian Geozide in East Timor

2002 wurde Timor Leste dann endlich ein unabhängiger Staat, nicht zuletzt nachdem die indonesischen Generäle 1999 kurz vor dem Abzug der Truppen ein öffentliches Blutbad anrichteten.

Frei ist die Bevölkerung heute, doch jede Familie hat Tote zu beklagen und die Vergangenheit kann niemand vergessen. Das Land ist außerdem das zweitärmste in Asien.

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Die Hauptstraße nach Dili ist meistens eine staubige Piste. Nur wenige Abschnitte sind geteert, seit Jahren soll die Straße verbessert werden. Die Dörfer bestehen aus einfachsten Holzkonstrukten, es ist nicht erkennbar wovon die Menschen hier eigentlich leben. Die Kinder haben dreckige und zerrissene Kleidung an, im Dorfladen ist die Auswahl beschränkt. Gezahlt wird hier in US- Dollar, es ist die offizielle Währung. Es gibt allerdings landeseigene Münzen, Centavo genannt.

Abends möchte ich neben einer der Kirchen schlafen, viele Menschen hier sind Christen. Doch ein paar neugierige Jungen lassen nicht locker bis sie mich schließlich überredet haben doch bei ihnen zu übernachten. Es ist kein Familienhaus wo sie mich hin führen sondern eine Schule der SOLS 24/7 Initiative. SOLS steht dabei für Science of Life studies und diese NGO bietet kostenlose Schulbildung und Unterkunft für Menschen welche sonst keinen Zugang zu Bildung haben.

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Es ist eine überschaubare Gruppe von etwa 20 Kindern und Jugendlichen. Einziger Lehrer ist ein Freiwilliger aus Kambodscha. Er bringt den Kindern nicht nur Englisch bei sondern auch Charakterbildung, Kochen und Haushaltsplanung stehen auf der Tagesordnung.

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Im großen und ganzen geht es darum das Potential eines jeden Menschen zu fördern und ihn Fertigkeiten zu lehren mit denen er sein Leben besser meistern kann.

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Ich leiste meinen Beitrag und halte eine kurze Präsentation vor den Kindern, um sie zum Träumen zu animieren und ihnen zu zeigen, alles ist möglich wenn du nur an dich glaubst.

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Es ist das erste Mal dass ich von SOLS 24/7 höre, auch wenn es diese Projekte in ein paar anderen Ländern gibt. Auf der Website gibt es mehr Informationen, ich halte dieses Programm für sehr unterstützenswert.

http://www.sols247.org/

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Dili

Dili, die Hauptstadt, ist wie erwartet moderner als der Rest des Landes. Die Stadt ist das wirtschaftliche Zentrum und auch die meisten NGOs operieren von hier. Weiße Menschen in Geländewagen sind daher kein ungewöhnlicher Anblick, auch Touristen trifft man in den Restaurants und Cafes an der Strandpromenade. Es gibt ein paar größere Supermärkte, die Bankautomaten wo man mit einer ausländischen Karte Geld abheben kann lassen sich aber an einer Hand abzählen. Zwischen den Hauptstraßen sieht es eher aus wie in einem Dorf, die Menschen wohnen in einfachen Verhältnissen.

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Ich finde eine Unterkunft in einer Tauchschule und kann in einem Zimmer für Tauchlehrer wohnen. Dies ist deutlich günstiger als ein Hotelzimmer, welche in Dili relativ teuer sind. Außerdem nimmt mich Volker, der deutsche Eigentümer, zum Schnorcheln mit und leiht mir an einem anderen Tag sogar seine Unterwasserkamera. Nur 5 Autominuten entfernt ist ein tolles Riff, sogar eine seltene Seekuh gibt es hier.

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Die Tauchspots in Timor Leste gelten für viele als Geheimtipp, für manche Taucher zählen sie zu den besten der Welt.

http://www.divetimor.com/

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Auch ansonsten hat das Land einiges touristisches Potenzial. Weiße Strände mit türkisblauem Wasser ziehen sich an der Küste entlang, das Inland ist dagegen sehr bergig und für Trekkingtouren bestens geeignet.

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Ich verbringe eine Woche in Dili, zu träge bin ich um mich für ein paar Tage aufs Rad zu schwingen und das Land zu erkunden. Nur zu einem Angelausflug mit neuen Freunden lasse ich mich hinreißen. Eryk und Szymon sind zwei Motorradfahrer aus Polen, auch unterwegs nach Australien. Kurz vor der Stadt habe ich sie zum ersten Mal auf ihren vollgepackten Motorrädern getroffen.

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Nach ein paar Minuten Unterhaltung war klar dass wir gemeinsame Freunde haben. Vor fast zwei Jahren traf ich im Iran auf Max und Chris mit ihren Motorrädern. Die Tage in Isfahan mit den beiden Jungs sind mir gut in Erinnerung geblieben, die Freude beim unerwarteten Wiedersehen im pakistanischen Quetta war groß. Wir hatten ein paar Tage zusammen in einem Hotel verbracht, während die beiden auf ihre Genehmigung für eine Polizeieskorte warten mussten. Quetta war nicht so sicher zu dem Zeitpunkt, wir haben das Hotel nur verlassen um um die Ecke etwas zu essen oder einzukaufen. Die kurze Zeit zusammen hat uns zu Freunden gemacht, ein Wiedersehen war geplant wenn auch unklar wann oder wo. Die beiden wollten mit ihren Motorrädern einmal um die Welt,das war ihr Traum und beinahe hätten sie es geschafft. Doch in Ecuador hatte Max dann einen Unfall, er starb noch an der Unfallstelle und die Tour war damit beendet. Chris musste alleine nach Polen zurückkehren.

Aber zurück zum Angeln:

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Ich halte nach einem Segelboot Ausschau, welches mich und mein Rad nach Australien bringen kann. Ich spreche mit jemanden der gut Bescheid weiß über die Boote im Hafen, doch die Chancen sind um diese Jahreszeit sehr gering. Die meisten Boote kommen aus Australien und auch einer anderen Radlerin ist es vor einigen Wochen nicht gelungen ein Boot zu finden.

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So bleibt mir nichts anderes übrig als einen Flug nach Darwin zu buchen, der nur 700 km entfernten Stadt in Australien. Es ist der zweite Flug auf dieser Reise der unvermeidbar ist. Vor 15 Monaten musste ich von Nepal nach Thailand fliegen, da die Grenzen zu Myanmar zu dem Zeitpunkt geschlossen waren. Am 8. Oktober 2014 also mache ich mich frühmorgens auf zum Airport Presidente Nicolau Lobato. Ein neuer Abschnitt meiner Reise beginnt.

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