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Australien: Adelaide – eine lange Pause

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Adelaide – eine lange Pause

Dezember 2014 – May 2015

Australien ist durchquert und ich habe nur noch ein Ziel vor Augen: Die Stadt Adelaide. Ich habe genug vom radfahren und brauche eine Pause. Die letzten Wochen habe ich fast jeden Tag bis zu sieben Stunden auf dem Rad verbracht – oft unter schwierigen Bedingungen wie Hitze, Gegenwind und Einöde. Mein Körper ist ausgelaugt, ich merke meine Muskeln jeden Tag, bin dünn geworden, habe jedes Gramm Fett verloren.

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Doch es ist nicht nur der Körper der nach Stillstand schreit: Nach zweieinhalb Jahren Nomadendasein – immer nur auf der Durchreise, oft das Objekt der Aufmerksamkeit, der verrückte Weiße auf dem Fahrrad – sehne ich mich nach einem Zuhause welches nicht aus einem Zelt oder Hotelzimmer besteht. Ich sehne mich nach sozialen Kontakten und Begegnungen welche länger anhalten als nur ein paar Stunden oder Tage.

Wie so oft ergibt sich alles ganz von selbst

Ein paar Wochen vorher, es war ein besonders heißer Tag und ich war unterwegs zum Uluru, stoppt eines der wenigen Autos und ein Mann steigt aus. Es folgen die üblichen Fragen des woher und wohin. Ich antworte ich sei vor ein paar Wochen in Darwin gestartet und unterwegs nach Adelaide und mache gerade einen Abstecher zum Uluru. Das erstaunt die meisten Leute schon genug doch manchmal kann ich es mir nicht verkneifen auch noch zu erwähnen dass ich vor 2,5 Jahren mit dem Rad in Deutschland gestartet bin. Der Mann, Trevor, arbeitet für die Australian Royal Flying Doctors und ist zuständig für psychische Gesundheit in aboriginal communitys. Nachdem er sich gründlich versichert hat dass bei mir im Kopf alles in Ordnung ist holt er aus seiner Esky (Kühlbox) eine kalte Wassermelone hervor. Dazu noch mehr Früchte und einen Yoghurtdrink und lässt mich mit all diesen Schätzen alleine in der Hitze zurück.

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Was ich nicht weiß: Später wird Trevor eine Email mit einem Foto von dieser Begegnung an Freunde und Arbeitskollegen senden. Ich erhalte daraufhin folgende Email:

Hallo aus Adelaide

Hi Florian, I habe gerade eine email von Trevor bekommen den du in Zentral Australien getroffen hast – er hat dir Früchte und eine Wassermelone gegeben. Ich möchte dir eine Unterkunft in unserem Haus in Adelaide anbieten wenn du magst. Meine Eltern sind auf der ganzen Welt radgefahren und meine Kinder sind auch gereist und ich weiß wie es ist weit weg von zuhause zu sein. Menschen waren sehr gütig zu meinen Kindern als diese gereist sind und ich möchte das zurückzahlen und den guten Willen weitergeben. Freue mich von dir zu hören. Alison

Doch noch bin ich in Port Augusta, 300 km von Adelaide entfernt. Ein Katzensprung im Vergleich zu den 3000 km welche ich in den letzten Wochen zurückgelegt habe oder den über 30.0000 km der letzten Jahre. Doch ich lasse mir Zeit und fahre oft nur 60 oder 70 km am Tag. Die Landschaft ist so anders als in den letzten Tagen. Große Kornfelder strecken sich über die Hügel, alte Bäume sind grüne Flecken in der ausgedörrten Landschaft. Es gibt genug Siedlungen, meistens nur ein paar Häuser, ein Pub, General Store und eine Tankstelle, über Wasser und Nahrung muss ich mir keine Gedanken mehr machen. Ich genieße diese letzen Tage und die einsamen Abende im Zelt in der Vorahnung in den nächsten Monaten nicht so viel unterwegs zu sein.

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Pünktlich zu Weihnachten komme ich in Adelaide an und fahre zu der Adresse von Alison und John. Wie so oft auf dieser Reise werde ich herzlich empfangen und mir wird ohne Scheu und Mißtrauen begegnet. Ich bekomme ein eigenes Zimmer mit Blick in den Garten, ein weiches Bett und ein riesiges Handtuch – eine Dusche habe ich wohl dringend nötig. Abends werde ich bekocht und der Kühlschrank ist voll von Köstlichkeiten. Nach den Entbehrungen der letzten Wochen kann ich den ganzen Komfort umso mehr genießen.

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Weihnachten ist die ganze Familie da, die erwachsenen Kinder und auch Alisons Mutter, Margarete. Sie hat vor etlichen Jahren zwei andere deutsche Radler aufgenommen, Axel und Peter. Die beiden waren 1990 mit dem Fahrrad ausgezogen um die Welt zu erkunden und hatten mich später in einem Diavortrag in Deutschland inspiriert. Und nun werde ich von der selben Familie aufgenommen wie die beiden.

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Es ist ein schöner Tag, die Sonne scheint und es ist heiß. Während draußen auf dem Grill ein riesiger Braten schmort trinken wir kaltes Bier. Weihnachten fühlt sich anders an hier. Für mich ist es immer spannend einen Einblick in andere Familien zu erhalten und ich fühle mich nicht fremd hier doch meine Gedanken wandern auch auf die andere Seite der Welt wo meine richtige Familie ein paar Stunden zeitversetzt zusammenkommt und ein ganz anderes Weihnachten feiert.

Nach einer Woche, ausgeruht und ein paar Kilos schwerer, verlasse ich Alisons and Johns Haus erstmal um ein paar andere Kontakte zu knüpfen.

Besonders beeindruckt hat mich die Selbstverständlichkeit und Bedingungslosigkeit mit der mich diese beiden Menschen aufgenommen haben. Von mir wurde nichts erwartet und ich fühlte mich wirklich frei. Anders war das oft in anderen Familien wo ich als Gast bestaunt wurde, mit mir geprahlt wurde und die Leute von mir unterhalten werden wollten und ich meine Geschichte immer wieder erzählen musste.

In den nächsten Wochen öffnen zahlreiche liebe Menschen ihre Tür für mich und helfen wo sie nur können. Ich bekomme Gelegenheitsjobs als Klempner, Gärtner und auf einer Farm.

longbreak_small004 Ich verdiene ebenso Geld als Versuchskaninchen in einem Schlaflabor und finde auch die Zeit Erinnerungen zu sortieren und die Erlebnisse der letzen Jahre in Formen zu fassen um sie zu teilen: Neue Videos entstehen, mein Vortrag wird eine professionelle Multimedia Präsentation, ich rede in einer Schule, in Radio Adelaide und bin sogar in der australischen Kinder TV Show Totally Wild (minute 7:50) zu sehen.

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Ich schaffe es also mehr Menschen zu inspirieren etwas neues zu wagen, ein Abenteuer zu erleben – doch ich selber fühle mich gerade nicht danach wieder los zu radeln – zumindest nicht in den nächsten Wochen.

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