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Australien: Der härteste Job der Welt

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Arbeiten in Australien

Australien ist unter Reisenden bekannt dafür dass dort einfach Geld zu verdienen sei. Es gibt für viele europäische Nationen ein einjähriges Arbeitsvisum – working holiday visa genannt – und die Löhne sind auf einem hohen Niveau. Auch für mich war das einer der Gründe nach Australien zu gehen – um in ein paar Wochen schnelles Geld zu machen und dann weiter zu reisen. Geblieben bin ich dann doch ein Jahr – gearbeitet habe ich davon nur wenige Monate.

Hier und im letzten Artikel möchte ich zwei ganz unterschiedliche Jobs vorstellen die ich gemacht habe.

Der härteste Job der Welt

Die Überschrift ist ein wenig reißerisch aber hat dennoch etwas wahres. Für fünf Wochen habe ich in Australien Bäume gepflanzt was von vielen als einer der härtesten Jobs der Welt bezeichnet wird. Gute Verdienstmöglichkeiten bei hartem körperlichen Einsatz – so was hatte ich schon gehört und nach meiner Australiendurchquerung mit dem Rad im Sommer sollte ich ja wohl fit genug dafür sein – dachte ich.

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Ein alter Freund aus meiner Heimatstadt hat mich angerufen: Wenn ich einen Job als Baumpflanzer haben wolle, in seiner Pflanzcrew wäre eine Stelle frei, für die letzten Wochen der Saison. Zwei Tage später finde ich mich auf einem Campingplatz in einer australischen Kleinstadt wieder und die Freude meinen Freund wiederzusehen mischt sich mit der Spannung was mich am nächsten Morgen wohl erwartet.

Um fünf Uhr wird aufgestanden um sechs Uhr ist Abfahrt. Ich sitze mit vier anderen in einem großen Pick-up Truck und die Straße windet sich hoch in die Berge. Während die aufgehende Sonne den Himmel rosa leuchten lässt wird auch der glitzernde Raureif auf dem Boden sichtbar – es ist Winter und draußen ist es knackig kalt. Nach einer Stunde erreichen wir unser Einsatzgebiet für den Tag, eine riesige abgeholzte Fläche. Alte Baumstämme, Äste und Steinbrocken liegen herum, es sieht aus wie nach einem Sturm. Meine Füße stecken in schweren Arbeitsstiefeln, lange Unterwäsche und Mütze gegen die Kälte, Handschuhe an den Fingern. Es kann losgehen.

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Gepflanzt werden Nadelbäume, ca. 20 cm groß. Die Setzlinge müssen eine bestimmte Tiefe haben, gerade sein und fest im Boden stecken, auch der Abstand ist vorgeschrieben. Es wird hier Monokultur gepflanzt und nach 20 oder 30 Jahren wird alles komplett wieder abgeholzt und wohl meistens zu Papier verarbeitet. Dies hier sind riesige Baumfarmen die den ursprünglichen Wald schon verdrängt haben und auch nicht viel Platz für andere Pflanzen oder Tiere bieten. Nachhaltigkeit ist etwas anderes, immerhin wachsen die Bäume für ein paar Jahre und produzieren Sauerstoff.

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Ich bekomme einen Gürtel umgeschnallt an dem Plastiktrays mit den Bäumen hängen, bis zu 120 Stück kann man so tragen. In der Hand einen Spaten, dann geht es los. Meistens ist der Boden einmal umgepflügt worden und es gibt eine sogenannte ripline in welche die Bäume gesetzt werden müssen.

Der Bewegungsablauf ist folgender: Spaten in die Erde rammen und Loch aushebeln, sich bücken und mit der anderen Hand einen Baum rein setzen, Spaten rausziehen und gleichzeitig den Baum gerade halten, mit dem Fuß den Baum festtreten und noch einmal kontrollieren ob er gerade und fest genug sitzt. Zwei Schritte machen, dabei schon den nächsten Baum in die Hand nehmen und wieder den Spaten in die Erde rammen.

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Man braucht die richtige Technik um die Bäume gut zu pflanzen und nicht Zeit zu verlieren wenn man korrigieren muss. Die Qualität wird kontrolliert und es gibt bestimmte Quoten die erreicht werden müssen.

Dieser Vorgang wird täglich tausende Male wiederholt, es ist körperlich wahnsinnig anstrengend. Bezahlt wird pro Baum und man muss schon schnell sein um angemessen zu verdienen. Die anderen Pflanzer rasen über das Feld, am Anfang ist es unerklärlich für mich wie sie so viele Bäume pflanzen und so lange durchhalten. Kaum einer macht eine Pause und wenn doch dann nur um schnell einen Müsliriegel zu essen oder etwas Wasser zu trinken.

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Meine Klamotten sind schnell schlammverschmiert und nassgeschwitzt. Um 4 Uhr nachmittags sind wir wieder auf dem Campingplatz wo immer drei Leute sich ein Zimmer teilen. Ich dusche, esse etwas und falle erschöpft ins Bett.

Am zweiten Tag tut mein ganzer Körper weh. Es scheint keine Muskelfaser zu geben die nicht überlastet ist und ich mag gar nicht daran denken wie ich den Tag überstehen soll. Jede Bewegung tut weh, meine Hüften sind wund gescheuert von dem schweren Gürtel.

Es dauert ungefähr eine Woche bis sich mein Körper einigermaßen an die Strapazen gewöhnt hat, doch die Probleme hören nicht auf: Blasen an den Händen vom Spaten, taube und verstauchte Finger, verrenkte Gliedmaßen, Schmerzen in den Knien und im Rücken, in den Gelenken, Kratzer von Brombeerranken und Dornen. Jeder der anderen Pflanzer hat schon Verletzungen gehabt, meist wird weiter gearbeitet, auch schon mal unter starken Schmerzmitteln. Denn jeder Tag an dem nicht gearbeitet werden kann bedeutet auch dass man kein Geld verdient.

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Gearbeitet wird meistens sechs oder sieben Tage am Stück, dann gibt es einen Tag frei. Es wird 6-8 Stunden gearbeitet, egal bei welchem Wetter. Manchmal ist der Boden morgens gefroren, der Spaten ist kaum in die Erde hereinzubekommen. Auch die Bäume sind gefroren und lassen sich nicht aus dem Tray lösen. Bei Regen ist alles matschig und die Erde klebt an den Schuhen, Schlamm ist überall. Es kommt zwei oder drei mal vor dass es so stark regnet (oder auch schneit) dass wir abbrechen und nach Hause fahren.

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An meinem ersten freien Tag versuche ich mich möglichst wenig zu bewegen und möglichst viel zu essen. Natürlich ist ein einzelner Tag nicht genug damit sich der Körper von solchen extremen Anstrengungen erholen kann. Andere welche den Job schon ein paar Monate machen berichten von schmerzenden Gelenken die sie nachts aufwachen lassen, von einem ständigen Erschöpfungszustand des Körpers. Diese harte Arbeit verlangt dem Körper einiges ab und es ist kein Job den man dauerhaft machen kann, zumindest nicht in dem Tempo. Alle Pflanzer in dieser Crew sind unter 30 und keine Australier sondern Backpacker.

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Warum ich die Arbeit trotzdem liebe

Doch es braucht nicht nur körperliche Fitness für diesen Job, ein starker Wille und die richtige Motivation ist viel entscheidender. Man muss jeden Tag bereit sein alles zu geben, sich völlig zu verausgaben. Es als Herausforderung oder sogar als Spiel sehen möglichst viele Bäume zu pflanzen, möglichst schnell zu sein. Durchhaltevermögen ist gefragt und das richtige mindset.

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Auch entsteht in der Crew meistens ein Gemeinschaftsgefühl, nach der Arbeit wird in den Zimmern zusammen gekocht und diskutiert. Für mich war das noch einmal etwas besonderes, denn wir waren vier Leute aus Arnsberg, aus meiner Heimatstadt, haben meistens Deutsch gesprochen und es gab auch noch ein paar andere Deutsche in der Crew.

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Es ist eine harte Schufterei, wahrscheinlich das härteste was ich je gemacht habe. Durchaus zu vergleichen mit dem radeln doch beim Radfahren braucht man nur die Beine, hier jedoch den ganzen Körper. Doch wie die meisten Pflanzer mag auch ich die Arbeit. Den ganzen Tag draußen sein in der Natur, sich bewegen, am Abend spüren was man getan hat und natürlich zahlt es sich auch finanziell aus. Es gibt motivierte und erfahrene Pflanzer die 300 Dollar pro Tag verdienen, um hier mal wenigstens eine Zahl zu nennen.

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Nach fünf Wochen ist die Pflanzsaison zu Ende und ich bin froh dass es vorbei ist und ich mich erholen kann. Doch ich hätte auch noch gerne weiter gepflanzt und es wird bestimmt nicht das letzte mal sein.

Hier gibt es ein Video von der Zeit:

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