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Indonesien: Tana Toraja – “Wo ist die Party für den toten Mann?”

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Von Oktober 2015 bis Januar 2016 war ich ganz ohne Fahrrad in Südostasien unterwegs – um meine Familie zu treffen und ein paar Freunde zu besuchen. Ich möchte wenigstens ein paar Eindrücke teilen bevor ich hier weiter über Abenteuer auf dem Rad berichte.

Achtung: Dieser Artikel enthält Fotos und Beschreibungen von Tiertötungen und menschlichen Überresten

November 2015

“Wir sind spät dran”, denke ich während wir auf einem Motorrad durch grüne Reisterassen rauschen. Mit wir meine ich mich und meinen Bruder Felix der hinter mir sitzt. Wir sind nun schon eine Woche unterwegs in Sulawesi, einer der Hauptinseln von Indonesien.

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Der lehmige Weg der sich Hauptstrasse nennt gabelt sich erneut. Eine Frau geht am Wegesrand, ich fahre langsamer und rufe “Di mana pesta orang mati?” “Wo ist die Party für den toten Mann?” Die Frau lächelt und zeigt nach links. Es ist nicht das erste mal dass ich nach dem Weg frage und jeder hier kennt die Richtung. Wir sind unterwegs zu einer Beerdigung.

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Deswegen sind die meisten Touristen hier, die Gegend und deren Bewohner sind weltberühmt für ihre Beerdigungszeremonien und auch wenn gerade keine Hauptsaison herrscht findet doch jeden Tag irgendwo eine statt. Menschen sterben halt immer. Doch hier müssen die Toten manchmal jahrelang auf ihre eigene Beerdigung warten. Es ist das wichtigste Fest im Leben eines jeden und soll gebührend gefeiert werden. Viele Familien müssen lange Geld sparen um sich so etwas leisten zu können und bewahren den Toten halt so lange auf. Oft auch jahrelang.

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Wir sind unterwegs in das Dorf Nanggalla. Den Tipp haben wir gestern von einer jungen Lehrerin bekommen die in Rantepao wohnt. Irgendwie wissen die Menschen immer Bescheid darüber was hier so los ist. Ganz ohne Internet und Zeitung und moderne Medien, hier in Indonesien reden die Leute noch miteinander und geben Neuigkeiten in direkten Gesprächen weiter.

Auf dem immer schmaler werdenden Pfad überholen uns ein paar Motorräder, die Männer tragen alle schwarze Kleidung und auf einem Motorrad ist ein Schwein festgebunden. Wir sind auf dem richtigen Weg. So richtig zu spät kommen können wir auch gar nicht, denn die Feierlichkeiten dauern immer mehrere Tage.

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Angekommen am Haus des Toten fühle ich mich ein wenig mulmig. Während meiner Reise war ich schon öfters auf Hochzeiten oder anderen Festen und Feierlichkeiten, doch immer wurde ich eingeladen. Das hier ist etwas anderes, was wir hier machen ist Beerdigungstourismus und ich kann mir vorstellen dass es nicht allen Menschen hier recht ist. Unter den neugierigen Blicken der zahlreichen Gäste welche auf extra errichteten Bambustribünen sitzen, fragen wir uns zu der Familie des Verstorbenen durch und überbringen unsere Gastgeschenke – einen Beutel voll Zucker und einen voll Kaffee. Dann werden uns unsere Sitzplätze zugewiesen, direkt gegenüber dem Haus vor welchem der Sarg des Toten steht. Auf dem Boden liegen bereits tierische Überreste und ein Mann ist dabei große Fleischbrocken in ein Fass mit siedendem Öl zu werfen.

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Wie fast immer in Indonesien findet sich jemand der Englisch spricht und uns erklärt dass wir den Büffelkampf verpasst haben und auch die Schlachtung einiger Schweine. Nun warten alle auf die Ankunft der Wasserbüffel. In diesem Kulturkreis ist es wichtig bei einer Beerdigung möglichst viele Tiere zu schlachten um dem Toten möglichst große Ehre zu erweisen und ihm auf seiner Reise ins nächste Leben zu helfen. Dies ist eine eher kleine Beerdigung wird uns erzählt, nur etwa zwanzig Schweine und sieben Büffel sollen geopfert werden. Die Familie hat lange gespart um die Tiere zu kaufen und auch die lokale Regierung steuert einen Büffel hinzu.

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Die Stimmung ist locker, eine Beerdigung ist hier auch Anlass Verwandte und Freunde wiederzusehen und sich auszutauschen. Es sind einige hundert Gäste hier, eingeladen ist prinzipiell jeder aus den umliegenden Dörfern und bei Kaffee und Snacks wird sich munter unterhalten. Dann geht plötzlich ein Raunen durch die Menge und es wird still. Ein Mann führt einen Büffel heran und bindet ihn an einen Pflock in der Mitte des Platzes. Einige verlassen ihre Sitzplätze und kommen näher, bleiben aber in gebührendem Abstand von dem großen Tier. Dann geht alles ganz schnell: Ein Mann, ein speziell auserwähltes Familienmitglied, hebt ein großes Messer und setzt zum schicksalsträchtigen Schlag an. Die silberne Klinge blitzt auf und trifft die Kehle des Tieres, Blut spritzt und es dauert einen Moment bevor das riesige Tier sich aufbäumt und zusammenbricht. Blut kommt aus seinem Mund, der Nase und der schwere Körper fällt zuckend in sich zusammen und schlägt mit einem dumpfen Laut auf dem Lehmboden auf. Die Menge ist ganz still, ein paar junge Leute haben ihre Mobiltelefone gezückt und filmen das Spektakel.

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Ich bekomme eine Gänsehaut, eine seltsame Spannung liegt in der Luft. Noch während das Tier zuckt und langsam verblutet, wird schon der nächste Büffel gebracht dem das selbe Schicksal blüht. Nach einer Weile ist der Platz übersät von Blut und toten Tierkörpern.

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Die Tiere werden direkt vor Ort auseinander genommen und zubereitet und dann den Gästen serviert. Zusätzlich bekommt jeder ein Stück Fleisch zum mitnehmen.

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Felix und ich verlassen den Ort des blutigen Schauspiels und schauen uns lieber ein paar Grabstätten an. Da gibt es eine Höhle voller Särge und alten Knochen. Stockdunkel ist es und im Schein der Taschenlampe tauchen immer neue Gänge auf, halb vermoderte Särge und Totenköpfe überall. Vor der Höhle ist eine Galerie mit einer Art Puppen. Für jeden Toten wird eine tau tau, eine Puppe angefertigt und dort aufgestellt.

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Manchmal werden die Holzsärge auch an einer Klippe auf gehangen. Je höher der soziale Status des Toten desto höher wird der Sarg gehängt. Mit der Zeit vermodert das Holz und die Knochen fallen herunter und bilden am Fuß der Klippe einen ansehnlichen Haufen.

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Die Menschen hier haben auf jeden Fall einen lockeren Umgang mit dem Thema Tod.

Doch es sind nicht nur die Beerdigungs- und Bestattungsriten welche diese Gegend sehenswert machen. Auch die traditionellenTongkonan Häuser und die Berglandschaften, durchzogen von Reisterassen und tropischem Urwald sind faszinierend.

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Drei Wochen waren mein Bruder und ich in Sulawesi unterwegs und haben von bunten Unterwasserwelten, rauchenden Vulkanen, tosenden Wasserfällen, goldenen Stränden und herzlichen Menschen alles mitgenommen was auf unserem Weg lag. Indonesien ist immer wieder faszinierend.

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