Mai 2016
“Machbar ist das schon, aber nicht unbedingt einfach. Da ist ne Menge grober Schotter und steil ist es auch. Ich würde mir das nochmal überlegen!”
Genau diese Worte eines anderen Tourenradler waren es, welche mich die Entscheidung treffen ließen die Route über Danseys Pass zu nehmen. Denn der Alps2Ocean Radweg der letzten Tage lässt sich gut mit dem Otago Rail Trail verknüpfen:
Es sind nur 70 km zwischen den beiden Radwegen und die Straße führt über den Danseys Pass. Ich starte frühmorgens denn die letzten Tage hatte der Wind in den Mittagsstunden stetig zugenommen und das fahren sehr erschwert.
Die Schotterstraße windet sich langsam aber stetig durch die Hügel, nur gelegentlich kommt ein Auto vorbei. Ich habe keine Ahnung wie hoch es eigentlich rauf geht, wie anstrengend es wird, wie der Wind ist oder ob es regnen wird. Aber gleichzeitig bin ich ziemlich zuversichtlich und weiß dass ich gut vorbereitet bin überall eine Nacht zu verbringen falls notwendig.
Die Straße ist teilweise steil und aus so grobem Schotter dass ich sogar mit meinen 50 mm breiten Reifen wegrutsche und oft schieben muss.
Nach gut zwei Stunden mache ich eine erste Pause und bewundere das Panorama welches sich unter mir aufbaut. Der Wind frischt auf und bringt dunkle Wolken, ich bleibe aber trocken und erreiche schon mittags die Passhöhe. Neben der Straße finden sich ein paar historische Marker, alte Goldgräbersiedlungen und Schautafeln zur Geschichte der Gegend.
Von dort ist es ein stetiges bergab.Die Bremsen fest im Griff manövriere ich mein Rad durch den Schotter und probiere die beste Spur zu finden mit den geringsten Unebenheiten. Vor mir breitet sich die Otago Ebene aus und mit Erreichen der Dunkelheit treffe ich auf den Central Otago Rail Trail.
Dieser Radweg folgt einer alten Bahnlinie, welche 1990 still gelegt wurde und hat sich zu einem wichtigen Highlight in der Region entwickelt. Die für die jährlich über 10.000 Benutzer benötigte Tourismusinfrastruktur hat zu neuen Jobs geführt und die anliegenden Ortschaften auch wirtschaftlich aufleben lassen.
Als ich am alten Bahnhof von Ranfurly in der Touristeninformation eintreffe und eine Karte der Strecke sehe, werden meine Erwartungen ein wenig gedämpft. Der Radweg ist 150 km lang und es wird eine Dauer von 3-5 Tagen angegeben. Alle 30 Kilometer befindet sich eine Ortschaft mit Verpflegungs- und Unterkunftsmöglichkeiten und natürlich einem Pub. Es werden voll organisierte Touren angeboten, Fahrrad inklusive. Das ganze sieht mir eher nach einer Strecke für alte Urlaubsradler auf E-Bikes aus, vielleicht vergleichbar mit der Donau Strecke Passau-Wien.
Ich bin mir nicht so sicher ob ich in Hinsicht auf Abenteuer und Herausforderung auf meine Kosten kommen werde aber radel trotzdem gut gelaunt den alten Gleisen folgend aus dem Bahnhof. Meistens flach, verhindert nur der Wind ein schnelles Vorwärtskommen durch die sich stetig wechselnde Landschaft. Langweilig wird es nicht, hinter jeder Kurve erwartet mich ein neuer Ausblick und eine andere Perspektive. Es geht über alte Eisenbahnbrücken und durch Tunnel, die ehemaligen Bahnhöfe sind oftmals restauriert und laden zur Pause ein.
Zwischen den Ortschaften befinden sich manchmal kleine Unterstände welche sich mir angesichts des Wind und Regens auch wunderbar als Schlafplatz anbieten. So mache ich es mir abends in einer dieser Hütten gemütlich, windgeschützt kann mir der Regen und die Kälte nichts anhaben und ich koche ein leckeres Abendessen.
Am nächsten Tag fülle ich in Alexandra meine Vorräte im Supermarkt auf, kaufe eine zusätzliche Tafel Schokolade und fahre auf dem Clutha Gold Trail weiter. Mein Ziel ist der kleine Ort Roxburgh wo ich einen Schlafplatz über das Couchsurfing Netzwerk gefunden habe. Ich freue mich auf eine heiße Dusche, ein weiches Bett und auch ein wenig Unterhaltung, denn die überwiegende Zeit der letzten Tage habe ich alleine verbracht.
Allen wohnt in einem kleinen Haus am Ende der Straße und bittet mich herein. Der Flur ist von Bücherregalen gesäumt und im kleinen Wohnzimmer bullert das Feuer. Die Wärme macht es gleich einladend und gemütlich. Allen ist viel gereist in seinem Leben und hier hat er sich ein kleines Zuhause geschaffen um seinen Lebensabend zu verbringen. Er hat ein Gästezimmer und ist froh sein “einfaches Leben zu teilen” wie er sagt. Ich bleibe für zwei Nächte. Wir verstehen uns gut, kochen abwechselnd die Mahlzeiten und philosophieren über Gott und die Welt während wir vor dem Feuer sitzend Ginger biscuits in heißen Kräutertee tunken.
Ich lese mich einen ganzen Tag quer durch seine Bücher welche von Astrology über Politik bis hin zu Zauberkunst handeln und darf mir am Ende sogar welche ausleihen. Drei Bücher packe ich als Lektüre für dunkle Abende im Zelt oder warme Sonnenstunden am Fluss in meine Tasche: Ein Buch von Allan Watts, ein Buch was “Natural Magic” heißt und Fridjof Capras “The Web of life”. Außerdem eine Tüte voll von Wal- und Haselnüssen welche ich mit Allens Hilfe unten am Fluss gesammelt habe.
Die Wettervorhersage ist nicht so berauschend, Regen ist angesagt und es wird nachts empfindlich kalt, doch mich zieht es weiter zum nächsten Radweg. Der Around the Mountains Trail wurde mir mehrfach empfohlen, anspruchsvoll und atemberaubend schön, und wird mich über einen Umweg nach Queenstown bringen.