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Deutschland: Kulturschock in der eigenen Heimat

Nervös bin ich als die Triebwerke der Boeing A346 lauter und lauter aufheulen und das Flugzeug auf der Startbahn beschleunigt. Bald ist die Maschine schnell genug und die Räder verlieren den Kontakt mit der Erde. Mein Bauch kribbelt während ich aus dem Fenster schaue und der vertraute Erdboden kleiner und kleiner wird bis irgendwann Wolken die Sicht verdecken. Flugangst habe ich keine, es ist eher die Nervosität vor dem was danach kommt. Elf Stunden beträgt die Flugzeit zwischen Quito und Madrid. Rund 8736 km.Wie klein die Erde doch ist, aus dem Flugzeug betrachtet. Für eine ähnliche Distanz auf dem Fahrrad bräuchte ich Monate. So wie die acht Monate für die Strecke von Deutschland nach Indien. Mit der Idee hatte alles angefangen. Nie im Leben hätte ich gedacht dass daraus sechseinhalb Jahre werden würden. Und genau deswegen bin ich nervös. Was wird mich in Deutschland nach so langer Zeit erwarten? Hätte ich nicht schon viel früher mal zurück gehen sollen? Was ist aus meinen Freunden geworden, die irgendwann aufgehört haben zu fragen wann ich wiederkomme? Die irgendwann aufgehört haben überhaupt etwas von sich hören zu lassen. Wie werden meine Eltern reagieren, die ich ja immerhin vor drei Jahren mal kurz gesehen habe? Und wie werde ich reagieren und auch interagieren mit der Welt aus der ich vor sechs Jahren auch ein wenig davongelaufen bin?  

Die elf Stunden vergehen leider nicht wie im Flug. Das dröhnen der Triebwerke und die unbequeme Sitzposition verhindern ein einschlafen. Ich zappe mich durch das Filmprogramm und probiere gefallen am Flugzeugessen zu finden bis endlich das Fahrwerk wieder auf festem Boden aufsetzt. Flughafen Madrid. Komisches Spanisch sprechen die hier. Automatische Passkontrolle. Ein Blick in die Kamera, ein Foto für die Sicherheit. Ich darf rein.Wilkommen in Europa.

Anschlussflug nach Düsseldorf, mein Bruder holt mich ab. Ich bin völlig übermüdet, alles kommt mir vor wie im Film. „Auf Gleis drei, Vorsicht bei der Einfahrt“! scheppert der Lautsprecher. Regionalexpress der deutschen Bahn, hier hat sich nichts verändert. „Zugestiegene, die Fahrscheine bitte!“ Wie oft habe ich diese Sätze bereits gehört in meinem Leben. Doch so lange ist es her, es kommt mir vor wie in einem Traum. Überhaupt, diese ganzen großen Menschen hier. Blaue Augen und blonde Haare sind keine Seltenheit. Und alle sprechen deutsch. Ich kann plötzlich alles verstehen. Das Mädchen die telefoniert. Die beiden Herren die sich unterhalten. Aus allen Richtungen fliegen Sätze, Gespräche und Wortfetzen in meine Ohren. Weghören geht nicht mehr, abschalten auch nicht.Ich spreche ja auch deutsch fällt mir ein.

Zu Hause – oder doch nicht?

Zwei Tage später bin ich bei meinen Eltern. Eigentlich alles normal, beim Abendessen zu sitzen in der Küche wo ich schon viele, viele Abende meines Lebens verbracht habe. Äußerlich scheint sich nicht viel verändert zu haben. Aber ich habe mich verändert. Und zwar gewaltig. Meine Erfahrungen und Entwicklungen der letzten Jahre geben mir eine andere Perspektive auf die Dinge: Das viele Essen auf dem Tisch. Körnerbrot oder Weißbrot? Getoastet oder ungetoastet? Oder doch lieber Pumpernickel? Wie wärs mit Knäckebrot? Zehn verschieden Sachen die man aufs Brot tuen kann. Gouda oder Eddamer? Frischkäse? Salami oder Leberwurst? Oder doch lieber veganer Aufstrich? Die Marmeladen sind fürs Frühstück reserviert. Ich fange mal mit dem Salat an. Oder doch lieber saure Gürkchen?

Die Vielfalt an Essen in der Vorratskammer, Spülmaschine, Wasserkocher, Mixer und Kühlschrank, heißes Wasser und Licht auf Knopfdruck, alles was früher für mich selbstverständlich und normal war, erscheint mir jetzt wie Luxus. Dieser Lebensstandart ist ganz anders als der, den ich die letzen Jahre gelebt habe und anstatt diese Dinge nun mehr zu schätzen, fühlt es sich am Anfang nicht so gut für mich an wieder so zu leben. Denn heute weiss ich was für ein Privileg es ist, so im Überfluss zu leben, und ich weiss auch, dass dieser Wohlstand nicht von ungefähr kommt: Vom globalen Massstab betrachtet sind wir die Gewinner, wir haben alles wovon andere nur träumen, können uns alles leisten und bräuchten eigentlich auch keine Sorgen haben. Doch es gibt natürlich auch die Verliererseite – diejenigen Menschen welchen es nicht gegönnt ist am Reichtum teilzuhaben, welche ausgenutzt und ausgebeutet werden, auf wessen Kosten wir leben in Europa. Und dann natürlich der Planet, Mutter Erde, welche wir rücksichtslos und rasant zerstören, nur damit wir unseren Lebensstil beibehalten können. Dies ist natürlich nichts neues für mich. Aber zurück in Deutschland wird mir das wieder einmal sehr bewusst und macht mir zu schaffen.

Es ist auch eine Reise zu meiner Herkunft, zu meinen Wurzeln. Man muss erstmal weg gewesen sein um zu sehen wo man eigentlich her kommt.

Weihnachten

Es ist Weihnachten. Familienzeit.Wie schön fühlt es sich an, meine Geschwister zu sehen, meine Nichte Amaia kennen zu lernen. Wir sitzen um den Weihnachtsbaum, Geschenke liegen darunter. Auch für mich. Dabei habe ich mir doch gar nichts gewünscht. Ich brauche doch eigentlich auch gar nichts. Und hätte man den Baum nicht besser draußen weiterwachsen lassen sollen? Wieviele Tannenbäume es wohl gibt in Deutschland? So eine Verschwendung.

Ich habe mein eigenes Zimmer. Das ist toll. Tür zu machen und ich hab meine Ruhe. Heizung ausdrehen, es ist doch viel zu warm. Hier probiere ich zu verarbeiten was gerade geschieht. Kulturschock andersherum. Wie können die Leute hier nur so unbewusst leben? Sogar meine eigene Familie? Verstehen die denn gar nichts? Oder verstehe ich nichts? Diese vorwurfsvollen Gedanken, der Weltschmerz in mir, ich falle erstmal in ein negatives Loch. Ich habe das Gefühl, niemand kann mich verstehen. Meine Erfahrungen und Erlebnisse sind so anders als die Lebenserfahrungen der Menschen hier, selbst wenn ich es in Worten ausdrücken könnte, sie würden mich nicht verstehen.

Andere Langzeitreisende schon eher, denn sie haben ähnliches durchgemacht. Heike Pirngruber schreibt mir :“Es wird besser – aber es dauert!”

Alexandros hat folgenden Rat für mich: „Halte dich von allem fern was negativ behaftet ist mein freund. setz fokus auf dein leben, auf deinen weg und geh voran – schau nicht zurück, nicht links und rechts.“

Ich treffe einige Freunde von früher. Umgeben zu sein von Menschen welche ich seit Jugendzeiten oder sogar schon länger kenne, und welche mich auch schon so lange kenne, darauf habe ich mich gefreut. Solche intimen und tiefen Beziehungen findet man beim reisen nicht so oft. Auch ist es toll zu sehen wie Menschen sich weiterentwickeln, denn verändern tut man sich ja immer, egal ob man nun unterwegs auf Reise ist oder in Deutschland zu Hause bleibt. Die augenscheinlichste Veränderung sind die Babys die nun überall das Leben meiner Freunde bestimmen.

So langsam entkomme ich dieser negative Grundstimmung und fühle mich bereit, Deutschland zu entdecken. Meine Freunde sind im ganzen Land verteilt und es erfordert einiges an Planung alles unter einen Hut zu bekommen. Ich bin relativ flexibel, doch meine Freunde stecken so in einem normalen Leben fest, mit Vollzeitjobs und Babys, da kann ich nicht mal einfach spontan vorbeikommen. Alle haben schick eingerichtete Wohnungen, die Zeit der kleinen WG-Zimmer in Studentenwohnungen sind vorbei, die Ansprüche und auch die finanziellen Möglichkeiten sind gestiegen. Überall bin ich willkommen und freue mich, endlich mal auf den neuesten Stand gebracht zu werden. Durch meinen Blog wissen viele doch so ungefähr was bei mir passiert, ich aber weiss kaum etwas von meinen Freunden. Ich finde mich in Unterhaltungen wieder über Themen welche ich in den letzten Jahren noch nicht mal im Kopf hatte. Mietpreise, Steuern, Bürokratie, Parkplatzsituationen, Urlaubsanspruch, Bausparverträge, deutsche Politik, Stoffwindeln, Babybrei, Kitaplatzanspruch, Erbschaften und Friedhofsgebühren.

Doch es kann auch um Nachhaltigkeit, Fleischkonsum, Freiheit, Glücklichkeit, Lebensentwürfe, Reisen, Angst, Gefühle, Demokratie, Gottesvorstellungen und radfahren gehen. Es sind Einblicke und Austäusche die sehr wichtig für mich sind.

Doch obwohl ich aus dieser Welt komme, fühle ich mich hier fremd. Ich kann mir so ein Leben nicht mehr vorstellen. Klar sehe ich die guten Seiten, die Bequemlichkeiten, die Sicherheiten welche es mit sich bringt. Aber der Preis dafür ist mir zu hoch. So viel meiner kostbaren Lebenszeit für Arbeit aufzuwenden, da hat man kaum noch Zeit für die wichtigen Dinge im Leben. Ich bin da (noch) nicht so kompromissbereit wie viele meiner Freunde. Und ein Kompromiss ist es immer, mal kleiner mal größer, nur die wenigsten finden wirklich Erfüllung in ihrem Job.

Die Leute reden gerne über das was sie besitzen oder was sie kaufen wollen, aber nicht gerne darüber was sie verdienen. Besonders diejenigen die besser verdienen, scheinen sich schlecht zu fühlen damit herauszurücken. Vielleicht weil sie sehen mit wie wenig ich auskomme? Und wie zufrieden ich damit bin? Ich möchte niemandem etwas vorwerfen und auch nicht dass sich jemand schlecht fühlt wegen mir, aber ich glaube ab und zu passiert es doch. Wie ein Spiegel bin ich für manche, habe ich manchmal das Gefühl.

Mir fällt auf, dass es eigentlich immer nur um eine deutsche Perspektive geht. Um die Situation in Deutschland, die Politik in Deutschland, um uns Deutsche. Mir, da ich mich nicht mehr als erstes als Deutscher sondern als Mensch sehe, kommt das komisch vor. Eine globale Sicht auf die Dinge zu haben, eine globale Perspektive wo man die Menschheit als ganzes betrachtet, ist für mich gar nicht so abstrakt, wie für jemanden der die meiste Zeit in Deutschland gelebt hat. Doch eine globale Perspektive zu haben, bedeutet auch, ein paar unangenehme Wahrheiten zu erkennen, was den Lebensstil und die Verantwortung jedes einzelnens für den Zustand der Welt bedeutet. Wobei wir wieder beim Anfang wären, wilkommen Negativität, hallo Weltschmerz!

Es geht doch viel mehr darum, eine positive Vision zu entwickeln. Nicht nur für jeden einzelnen, oder nur uns als deutsche, sondern für alle Menschen. Das dies nicht so einfach ist wenn man in so einem normalen Leben drin steckt, welches diktiert zu sein scheint von der Gesellschaft und den Lebenserfahrungen in Deutschland, verstehe ich jetzt mehr. Und auch, dass in so einer Ellenbogen-Ego-Kultur der Blick fürs wesentliche verloren geht. Wer hat schon die Zeit (oder sieht überhaupt die Notwendigkeit) mal inne zu halten und sich zu fragen: „Was mache ich hier überhaupt? Und Warum?“

Und ich verstehe auch, dass es oft so scheint als ob man nichts ändern könnte. Oder als ob es sowieso keinen Sinn macht. Doch das ist alles nur eine Frage der Perspektive.

Mir wird bewusst welchen Einfluss ich in Deutschland haben könnte. Eben nicht den normalen Weg zu gehen, sondern anders zu sein, anders zu leben. Aktiv an einer Umwandlung der Gesellschaft beteiligt zu sein. Denn diese Transformation ist dringend nötig, für ein besseres Leben für alle und im Hinblick auf den Klimawandel sogar für die Erhaltung der Erde für zukünftige Generationen. Als Reisender jedoch, der immer nur zeitlich beschränkt irgendwo ist, sind diese Möglichkeiten beschränkt.


Anekdoten aus Deutschland

Der Winter ist echt mies. Grau, kalt und nass präsentiert er sich. Manchmal sieht man tagelang die Sonne nicht, die Nächte sind lang und dunkel. Das Leben spielt sich drinnen ab, und auch ich habe keine Lust rauszugehen und verkrieche mich lieber hinter doppelt verglasten Fenstern und in beheizten Räumen. Ein paar schöne Tage gibt es doch: eine dicke weiße Schneedecke, die den grauen Beton der Städte überdeckt, kombiniert mit strahlend blauem Himmel und knackig frischer Luft, so ein Winter ist mir recht. Oder die sonnigen Tage Ende Februar, wo das Thermometer auf fast 20! Grad klettert. Danke Klimawandel!


Ich fahre mit dem Zug durchs Ruhrgebiet. 10,71 Euro für eine Fahrt von Wuppertal nach Köln. Ich probiere mich an dem Anblick der Kraftwerke und Fabriken zu erfreuen. Schornsteine, Kühltürme, Lagerhallen. Dann die Städte. Riesige Gebäude aus Stein, Stahl und Beton. Glasverzierte Wolkenkratzer, die Straßen sauber und ordentlich. Der Müll ist unsichtbar in Deutschland. In die Tonne aus dem Sinn. Kleine Inseln von grün, die Parks in den Städten, durchzogen vom ewigen Hintergrundrauschen des Verkehrs. Natur gibt es schon, sogar im Ruhrgebiet. Doch das meiste sind landwirtschaftlich genutzte Flächen. Grüne Wiesen und braune Äcker. Oder kahle Wälder, alle auch zur Holzproduktion genutzt. Alte und dicke Bäume gibt es kaum. Richtige Wildnis? Fehlanzeige! Unserem Wachstums- und Konsumhunger zum Opfer gefallen. Immerhin fährt der Zug mit Ökostrom.


Mein erstes Mal in einem deutschen Supermarkt: Die Obst und Gemüseauswahl ist beeindruckend. Wieviel davon wohl gerade hier wächst? Auch die Anzahl der anderen Produkte überfordert mich. Das ist doch wahnsinnig. Wer braucht denn das alles wirklich? Auch die günstigen Preise sind teilweise erschreckend. Wie kann denn so günstig produziert werden? Bezahlen tut also jemand anders dafür. Immerhin, Bio gibt es jetzt sogar beim Discounter, und auch ganze Biosupermärkte gibt es überall in den großen Städten. Doch ich würde eher gespritzte Äpfel aus Deutschland kaufen als Bio Bananen aus Costa Rica. CO2 Fussabdruck, virtuelles Wasser, Herstellungsbedingungen – Bio ist eben nicht alles.


Köln: Wie immer ragt der Dom mächtig in den Himmel als ich aus dem Hauptbahnhof trete. Alles wie früher. Doch dass so viele Radfahrer selbst im Winter unterwegs sind, ist etwas neues. So langsam scheint sich auch an der Infrastruktur etwas zu tun. Auch wenn autofreie Innenstädte oder große Fahrradachsen quer durch die Stadt noch Träume bleiben, Radläden gibt es schon an jeder Ecke. Auch die Zahl qualitativ hochwertiger Räder scheint gestiegen zu sein und damit auch die Dicke der Schlösser. Auch dass Arbeitgeber Diensträder bezahlen und es Fördergelder für Lastenräder gibt ist eine neue Entwicklung.


Menschen sind freundlich, auch in Deutschland. Man muss nur fragen und einem wird geholfen. Ausnahme ist eine Service Mitarbeiterin der Deutschen Bahn in Hamburg, welche mir nach einem Zugausfall nur widerwillig gewährt, einen anderen Zug am nächsten Morgen zu nehmen. Viel lieber würde sie mich heute nacht noch nach Freiburg schicken, jedoch nicht mit einer durchgehenden Verbindung wie geplant, sondern mit zwei längeren Aufenthalten in Köln und Frankfurt. Nein Danke! Dann besteht sie darauf dass ich wenigstens bis nach Frankfurt fahre, dort in einem Hotel übernachte und am nächsten Tag von dort nach Freiburg. Viel lieber würde ich die Nacht in Hamburg bleiben und so noch einen Freund sehen können. Und dann am nächsten Morgen entspannt den Sechs-Stunden-ICE nehmen. Darauf bestehe ich freundlich und die Frau wird doch sehr patzig, aber knallt mir schliesslich eine Bescheinigung hin, welche die Zugbindung meines Tickets aufhebt. Geht doch! Am nächsten morgen erklärt mir noch die Schaffnerin im ICE, ich würde noch 50 Prozent des Ticketpreises wiederbekommen. Sowas gabs früher auch nicht.


S-Bahn Station Hamburg Altona, 7 Uhr morgens:Verschlafen stolper ich zur S-Bahn. Ich muss zum Hauptbahnhof. Es dämmert gerade erst, ich glaube so früh war ich in Deutschland nur selten schon wach. Hastig bewegen sich die Menschen zielstrebig durch die Station, den Blick geradeaus. Auf dem Bahnsteig halten sie möglichst viel Abstand voneinander und schenken niemandem Beachtung. Sie starren auf die riesigen Werbetafeln als ob es sonst nichts zu sehen gibt. Andere Menschen schaut man besser nicht an, und erst recht lächelt man nicht. Das kommt ganz komisch. Wenn die Bahn kommt steigt man ein und zückt sein Telefon. Bloss keinen Augenkontakt aufnehmen. Gut dass es nur drei Stationen sind in diesem Zombie-Zug.


Gleis 12, ICE nach Freiburg. Beim durchqueren des Bahnhofs werde ich von drei Leuten nach Geld gefragt. Klar, Armut gibt es auch hier. Auch in den Innenstädten fällt mir die große Zahl der Bettler auf. War das früher auch schon so?


Man kann in Deutschland sicher sein dass die Autos anhalten sobald man einen Zebrastreifen betritt, ja sogar wenn man noch ein paar Schritte entfernt ist halten die Autofahrer schon. Man kann sich aber auch sicher sein dass niemand bei Rot die Straße überquert, auch wenn weit und breit kein Auto zu sehen ist.


Freiburg im Breisgau: Ich besuche Freunde von unterwegs. Celine und Sam mit der kleinen Layla wohnen in Breisach. Endlich gutes Wetter. Wir gehen in den Weinbergen spazieren. Ein paar Grad wärmer als im Rest von Deutschland. Hier lässts sich aushalten. Auf der anderen Rheinseite ist Frankreich.


 

Weil am Rhein: Nächster Abend, nächstes Baby. Karlotta. Die Schweiz ist um die Ecke, man kann sogar hin laufen. Einfach durch einen Park und über ein Brückchen und schon ist man in Basel. Keine Grenzkontrollen, nichts. Ein Hoch auf die EU, dessen Mauern, Zäune und Grenzschützer an den Aussengrenzen uns diese Reisefreiheit ermöglichen.


Düsseldorf, Rosenmontag: Zu früh für die Jecken bin ich unterwegs zum Flughafen. Nervös bin ich diesmal nicht so sehr, dafür ziemlich übermüdet. Die letzten Tage waren stressig, es gab diverse Sachen zu erledigen und Freunde zu verabschieden. Keine Zeit zum schlafen. Vielleicht klappts ja dieses mal im Flugzeug.


Für dieses mal war es nur ein Besuch in Deutschland. Zum Glück! Doch ich denke schon darüber nach, wie ich mir ein Leben in Deutschland vorstellen könnte. Denn so sicher wie bei meiner Abreise vor sechs Jahren, wo ich davon ausgegangen bin niemals in Deutschland leben zu wollen, bin ich schon lange nicht mehr. Es ist halt doch eine Art Heimat, die eigene Kultur, die Muttersprache und die ganzen Privilegien noch dazu. Ein Kompromiss ist das Leben sowieso immer. Doch nächstes Mal komme ich für den Sommer. Das steht fest!

10 Gedanken zu „Deutschland: Kulturschock in der eigenen Heimat

  1. Lieber Florian,
    irgendetwas sagt mir, dass Dein Weg noch lange nicht zuende ist. Und das ist gut so. Ich freue mich drauf, wieder Neuigkeiten von Dir zu hören.
    Von Dir kann man eine Menge lernen. Eine Lektion, die ich leider bis heute nicht umgesetzt habe, lautet: “Tu es!”. Was immer Du Dir in den Kopf setzt, tu es.
    Irgendwann werden wir uns irgendwo begegnen. Dann weißt Du, dass ich Deine Lektion endlich umgesetzt habe.

    Gruß aus der Vulkaneifel

    Martin

  2. Hi Florian,

    wie immer sehr interessant zu lesen! Ein paar Anmerkungen:

    1. Obdachlosigkeit

    “Beim durchqueren des Bahnhofs werde ich von drei Leuten nach Geld gefragt. Klar, Armut gibt es auch hier. Auch in den Innenstädten fällt mir die große Zahl der Bettler auf. War das früher auch schon so?” Hier gibt es eine Statistik zur Wohnungslosigkeit in Deutschland: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36350/umfrage/anzahl-der-wohnungslosen-in-deutschland-seit-1995/

    2. Klimawandel:
    Die Emission an CO2 pro Person beträgt in Deutschland 8,88 t (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_CO2-Emission). Mit Transatlantikflügen kegelt man sich leider ziemlich weit raus (https://www.sueddeutsche.de/news/leben/tourismus-wie-viel-co2-stosse-ich-bei-einer-flugreise-aus-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-170816-99-667604). Persönliche Moralisierung trägt bei dem Thema aber nicht allzu weit, daher sind politische Maßnahmen wichtig. Heute gab es ein großes Statement zum Thema, Anlass sind die Schülerstreiks:
    https://www.scientists4future.org/
    https://www.youtube.com/watch?v=OAoPkVfeTo0

    3. Umwelt und Bio:

    “Mein erstes Mal in einem deutschen Supermarkt: Die Obst und Gemüseauswahl ist beeindruckend. Wieviel davon wohl gerade hier wächst?”

    Tatsächlich wird immer wieder betont, dass saisonal zu essen sinnvoll für die Umwelt ist, wohingegen es weniger klar ist, wieviel es bringt, regional zu essen. (Mehr siehe unten)

    “… Auch die günstigen Preise sind teilweise erschreckend. Wie kann denn so günstig produziert werden? Bezahlen tut also jemand anders dafür.”

    Das kommt vielleicht ein Stück weit darauf an, was man unter “bezahlen” versteht. Und vor allem: Es gibt tatsächlich Kostensenkung etwa durch technologischen Fortschritt, Spezialisierung, Skalenerträge.

    “Immerhin, Bio gibt es jetzt sogar beim Discounter, und auch ganze Biosupermärkte gibt es überall in den großen Städten.”

    Tatsächlich hat der weltweite Umsatz mit Bio-Lebensmitteln zugenommen:
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/187590/umfrage/weltweiter-umsatz-mit-bio-lebensmitteln-seit-1999/
    Foodwatch hat auch ein paar Zahlen dazu (“Bio ist Nische”):
    https://www.foodwatch.org/de/informieren/bio-lebensmittel/mehr-zum-thema/zahlen-daten-fakten/

    “Doch ich würde eher gespritzte Äpfel aus Deutschland kaufen als Bio Bananen aus Costa Rica. CO2 Fussabdruck, virtuelles Wasser, Herstellungsbedingungen – Bio ist eben nicht alles.”

    Greenpeace sieht das etwas anders:
    http://www.greenpeace.org/austria/de/marktcheck/News/essen/2012/obst-und-gemuse-im/
    Allerdings habe ich zum Satz “Am Ende der Lagerzeit im Frühling, also wenn der Energieverbrauch am höchsten ist, war für die deutschen Lageräpfel immer noch weniger Energie erforderlich als für den Transport der frischen Äpfel aus Neuseeland oder Südafrika. ” schon gegenteilige Aussagen gelesen. Etwa hier geht es explizit auch um diesen Vergleich:
    https://www.br.de/radio/bayern1/inhalt/experten-tipps/umweltkommissar/umwelt-apfel-regional-neuseeland-100.html

    Viele Grüße,
    Achim

  3. Hallo Achim, danke dass du das ganze mit ein paar Zahlen und mehr Infos hinterlegst. Eigentlich sollte das ganze gar kein Klimawandel Artikel werden, und auch die Moralapostelschiene mit erhobenen Zeigefinger bringt Menschen ja nicht zum umdenken, eher im Gegenteil, aber in diese Schiene bin ich in Deutschland nun mal zeitweise zurück gerutscht.

    Na klar braucht es drastische politische Maßnahmen, siehe auch das von dir verlinkte scientistsforfuture statement. Aber die grundsätzliche Datenlage ist ja nichts neues, schon in den 80er Jahren wussten zumindest die Erdölkonzerne über die schädlichen Folgen erhöhten CO2-Austosses.
    https://www.climateliabilitynews.org/2018/04/05/climate-change-oil-companies-knew-shell-exxon/

    Die Politik hatte bereits genug Zeit etwas zu ändern, aber es passiert nichts nennenswertes und deswegen erhoffe ich mir auch in der näheren Zukunft nichts von der Politik. Es reicht ja nicht mehr aus nur ein paar Schräubchen zu verstellen, der große Rahmen ist das Problem. Solange das Wirtschaftssystem auf Wachstum und Profit ausgerichtet ist (sogar gesetzlich festgelegt, siehe Grundgesetz Art. 109 und Stabilitätsgesetz), und der Kapitalismus nicht überkommen wird (oder drastisch seine Richtung ändert) wird es keinen Wandel geben. Und Deutschland ist politisch gesehen absolut kein Vorreiter beim Klimaschutz. Hier ein Artikel der Angela Merkel zu der Person kürt, die am meisten dazu beigetragen hat die Erde und die zukünftigen Lebensgrundlagen der Menschheit zu zerstören:
    https://www.theguardian.com/commentisfree/2017/sep/19/world-leading-eco-vandal-angela-merkel-german-environmental

    Hier noch ein weitere Link zu einer Organisation welche die Klimapolitik Deutschlands und anderer Staaten genau beobachtet : https://germanwatch.org/de

    Dabei gibt es bereits Konzepte den Klimawandel nicht nur zu verlangsamen, sondern ihn sogar rückgängig zu machen:
    https://believe.earth/en/paul-hawken-heres-how-you-can-save-life-on-earth/
    https://davidkorten.org/

    Es liegt also an jedem einzelnen etwas zu tun. Nicht nur auf einen politischen Wandel zu hoffen oder hinzuarbeiten, sondern persönliche Maßnahmen und Veränderungen zu ergreifen. Und besonders wichtig ist es, unsere Einstellung zum Phänomen Leben und zur Natur zu verändern. Uns als Teil des ganzen zu empfinden und nicht als etwas davon getrenntes. Es braucht einen grundlegenden Bewusstseinswandel und immer mehr Menschen gehen in diese Richtung. Hier möchte ich ein paar weitere Links dazu anbringen:
    https://pioneersofchange.org/ (deutsch)
    https://medium.com/@joe_brewer/managing-planetary-collapse-38a63603253e
    http://www.climatehealers.org/

    und zum schluss noch ein CO2 footprint rechner plus riesige datensammlung:
    https://www.footprintnetwork.org/

    Mein Flug Ecuador Deutschland und zurück hat übrigens mit gut 4 Tonnen CO2 auf meiner persönlichen Bilanz zu buche geschlagen. Die muss man erstmal wieder einsparen. Das nächste mal probiere ich mit dem Boot zu kommen und noch mehr Bäume pflanzen ist natürlich auch etwas was immer richtig ist.

  4. “Ein Hoch auf die EU, dessen Mauern, Zäune und Grenzschützer an den Aussengrenzen uns diese Reisefreiheit ermöglichen.” das meinst du hoffentlich nicht ernst…

  5. Man muss die Ganze Welt gesehen haben um es Festzustellelen das es in der Heimat am schönsten ist.

  6. @ Vera: Nein das ist Sarkasmus pur. Reisefreiheit in der EU ist ja schon was tolles, nur sind sich viele Menschen nicht bewusst zu welchem Preise wir das haben – Festung Europa und Mittelmeer Flüchtlinge sind die stichworte
    @ Martin: Das hast du gesagt. Diesem “Zuhause ists doch am schönsten” stimme ich so nicht zu 🙂

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