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Von Tafraoute nach Tata – Von Tee zu Tee über die Piste

09. – 12. Januar

Langsam schlürfe ich meinen Tee. Dieser Grüne Tee mit Minze und viel Zucker wird hier überall getrunken. Whiskey maroccaine genannt. Ich sitze in einem Cafe in der kleinen Stadt Tafraoute. Die erste Woche in Marokko ist vorbei, und ich habe mich schon eingelebt, fühle mich wohl hier. Nach der Ankunft in Agadir und der ersten Hotelübernachtung ging es direkt los auf die Strasse, an Arganbäumen und Ziegenherden vorbei in die Berge des Anti-Atlas. Die Menschen sind sehr freundlich; ich werde überall gegrüßt, Kinder begleiten mich öfters ein Stück auf ihren Rädern. Im ersten Restaurant verstand ich nicht, was es zu Essen gibt, die Speisekarte war auf arabisch. Kurzerhand wurde ich in die Küche geführt und durfte in die Töpfe schauen. Auch beim ersten Einkauf in einem dieser kleinen Läden, wo es praktisch alles gibt, gab der Verkäufer sich alle Mühe meine Wünsche zu erfüllen.

Mohammed, der freundliche Cafe-Besitzer in Tafraoute1
Mohammed, der freundliche Cafe-Besitzer in Tafraoute

 

Der Tee ist alle, das Berber-Omelett mit Tomaten,Zwiebeln und Oliven verspeist. Ich mache noch ein Foto von Mohammed, dem freundlichen Cafebesitzer und fahre los. Es wird durch die Ait-Mansour Schlucht gehen und danach eine Piste durch die Berge bis nach Tata. Den Tip für die Strecke habe ich von 2 Radlern bekommen, die ich hier in Tafraoute getroffen habe. Sie sagten, die Strecke sei fantastisch und auch nicht so schwer zu fahren. Nur Wasser und Essen für 2-3 Tage sollte ich besser mitnehmen.

Es geht viel bergauf.

 

“Nach Tata? Mit dem Fahrrad brauchst du 5 Tage. Bleib lieber hier heute nacht”, ruft mit der alte Mann von der anderen Seite des Hanges zu. Er sagt noch mehr, aber mein französisch ist zu schlecht um alles zu verstehen. Als er merkt, dass ich mich nicht von meinem Vorhaben abbringen lasse, ruft er noch “Da den Berg hoch, aber dahinter ist nichts, garnichts. Dann ein Plateau, dann ein Tal hinab. Geh, Geh nur!”. Seine Worte klingen noch in meinem Kopf, als ich im dunkeln mein Zelt aufbaue. Fünf Tage also. Ob das stimmt? Zumindest hatte der alte Mann recht was den Berg betrifft. Hier ist nichts, wirklich nichts. Die letzten drei Kilometer habe ich mich und mein Rad über Felsplatten und Geröll bis auf 1800 Meter hochgeschoben, und außer Steinen und bizarren Felsformationen ist hier nur noch der kalte Wind der an meinem Zelt rüttelt.

Hochebene auf 1800 Metern.

 

Nach der einsamen Nacht in den Bergen komme ich schnell auf eine richtige Piste, zumindest auf eine Piste wie ich sie mir vorher vorgestellt hatte. 5 Meter breit, eben und einigermassen festgefahren.LKWs der nahen Goldmine bei Akka, jedesmal eine lange Staubfahne hinter sich herziehend. Die Freude über die gute Fahrbahn währt nur kurz, dann geht es wieder einen holprigen Weg hinein, an zerfallenen Häusern vorbei durch die ausgetrocknete, karge Landschaft. Es geht ein Tal hinab, oft durch ein trockenes Flussbett. Große Steine, ab und zu die Fahrspur eines Geländewagens. Eine echte Herausforderung für mich und mein Fahrrad, und hätte mir vorher jemand gesagt dass man so einen Weg überhaupt fahren könnte, ich hätte es nicht geglaubt. Die wechselnde Landschaft entschädigt für die Mühen des Fahrens. Es geht leicht bergab, Kurve um Kurve um die Felsen herum durchs trockene Flussbett. Dort wo das Wasser auch um diese Jahreszeit nahe an der Oberfläche ist, sind kleine Oasen. Dörfer mit Palmenhainen und Frauen die auf kleinen Felder, durch klug angelegte Kanäle bewässert, Gemüse und Getreide anbauen. Vogelgezwitscher, Wasserplätschern und Kinderstimmen: “Bonjour, Bonjour. Gib mir einen Kugelschreiber, ein Bonbon, einen Dirham.” Es geht weiter, die Palmen verschwinden und ich kämpfe wieder mit dem steinigen Untergrund. Kurze Zeit später 3 Frauen, welche mit ihren Eseln Wasser vom nächsten Brunnen geholt haben. Bunte Kleider haben sie an,Kopftuch und das Gesicht verschleiert. Dunkle Augen blitzen in der Sonne auf. Neugierig werden ich und mein Fahrrad bestaunt, kurze Sätze in ihrer Berbersprache fliegen hin- und her, ein Lachen. Französisch sprechen können sie nicht, und ich plapper einfach auf Deutsch los. Wir müssen alle Lachen. Kommunikation auf sprachlicher Ebene nicht möglich, aber auch nicht unbedingt notwendig in dieser Situation.

Das Gesicht verschleiert, nur die Augen blitzen hervor.

 

Völlig erledigt, mit schmerzenden Handgelenken und Hintern und Lust auf einen heißen Kaffee treffe ich einen Tag später auf die Teerstrasse, welche mich trotz Gegenwindes zügig und bequem nach Tata bringt. Ein ruhiges kleines Städchen nahe der Grenze zu Algerien. Die Menschen hier sind zurückhaltend, ein junger Mann spricht mich schüchtern an. Er möchte mir sein Haus zeigen, im alten Dorf etwas ausserhalb. M’hamed ist etwas älter als ich und Assistent in einer Koranschule. Er wohnt noch in einem alten Lehmhaus in einem Ksar. So werden die alten Dörfer bezeichnet. Bauten aus Steinen und Lehm, ineinander verschachtelt und zum Schutz oft von einer Mauer umgeben.

Alte Häuser,moderne Satellitenschüsseln.

 

Die marokkanische Gastfreundschaft überrascht mich immer wieder und ist manchmal nur schwer zu begreifen. Ich, der Fremde mit dem Fahrrad, bekomme wie selbstverständlich einen Tee und Datteln und dazu noch eine Einladung zum übernachten. M’hamed ist sehr glücklich einen Gast zu haben, er strahlt mich an, führt mich durch die alten Gassen und erklärt mir alles. Wirkliche Gastfreundschaft, ohne Hintergedanken oder böse Absichten. Ich lande nicht in einem Teppichladen, wie ich es öfters in Reiseberichten gelesen habe und auch Geld spielt keine Rolle. In Deutschland nur schwer vorstellbar.

Tee bei M'hamed im alten Ksar.