Java, Mai/Juni 2014
Für mich ist es manchmal schwierig Freundschaften zu schließen.Zu kurz sind die Begegnungen, die ich mit Menschen habe. Oft nur ein paar Minuten oder Stunden, im besten Fall ein ganzer Abend oder ein bis zwei Tage. Als Reisender ist man offener für Menschen und Dinge, und es geht sehr schnell auf eine persönliche Ebene. Es wird offen über alles geredet, jeder weiß dass die Begegnung zeitlich begrenzt ist. Doch auch wenn ich gelernt habe, Menschen in kurzer Zeit sehr nahe zu kommen, kann sich in dieser kurzen Zeit eine richtige Freundschaft entwickeln?
Mit vielen Menschen, die ich getroffen habe, stehe ich noch in Kontakt und ich würde diese Menschen auch als Freunde bezeichnen, doch für eine richtige Freundschaft ist oft nur der Grundstein gelegt. Denn dazu gehört, Zeit miteinander zu verbringen, Erlebnisse zu teilen, sich von Angesicht zu Angesicht zu unterhalten. Nur ein paar Sätze, getippt auf einer Tastatur und per Email durch Glasfaserkabel um die Welt geschickt, können niemals eine echte menschliche Konversation ersetzen.
Von vielen alten Freunden aus Deutschland habe ich schon ewig nichts mehr gehört und ich kann es ihnen auch nicht verübeln. Jeder lebt sein eigenes Leben und es ist schwierig in Kontakt zu bleiben. Ich bezeichne viele meiner Freundschaften als im „Stand-by“ Modus:Gelegentlich bekomme oder schreibe ich mal eine Email, doch wenn ich die Personen irgendwann ein mal wiedersehe, ist die Freundschaft zurück im aktiven Modus.
Community 108
In Asien sind die Menschen sehr gesellig und sozial. Eine der ersten Fragen lautet hier oft: „Bist du alleine“? Gefolgt von „Hast du keine Freunde?“. Für viele ist es unverständlich, etwas alleine zu unternehmen, besonders eine so große Reise, wenn man es auch mit Freunden machen kann. Oft bekomme ich verständnislose oder mitleidvolle Blicke, wenn ich erkläre dass ich alleine unterwegs bin. Es ist meine Wahl und ich bin damit auch zufrieden. Auch gehört es dazu sich immer wieder von Personen zu verabschieden, auch von Personen die ich sehr mag und mit denen ich eigentlich mehr Zeit verbringen möchte.
In Java finde ich solche Personen.

In der Stadt Malang komme ich bei lokalen Radfahrern unter. Sie sind nicht diese Sorte von Radlern, die ein teures neues Mountainbike besitzen und einmal am Wochenende ein paar Kilometer darauf fahren, um es anschließend zu putzen und wieder in die Garage zu stellen. Nein, diese Leute sind echte Tourenradler. Alle ihre Räder haben vorne und hinten Gepäckträger, sie unternehmen Touren nicht nur in Indonesien, auch andere Länder stehen auf ihrer Liste. Und sie benutzen ihre Räder auch im tägliche Leben, um zur Arbeit zu fahren oder um in der Stadt von einem Ort zum andern zu kommen. Lange habe ich nicht mehr solche Leute getroffen, und besonders nicht so viele auf einmal.


Sie haben einen Community Treffpunkt mit einem kleinen Radladen und einem gemütlichen Ort zum Zeit verbringen. Ich fühle mich mit diesen Leuten von Anfang an mit dem Herzen verbunden und es zeigt mir einmal mehr, dass es nicht immer vieler Worte braucht um sich zu verständigen, andere Ebenen der Kommunikation können sehr gut funktionieren. Wir tauschen Erfahrungen aus, fachsimpeln über unsere Räder und diskutieren über Radfahren in Indonesien.
Nach ein paar Tagen zieht es mich weiter, es ist einer dieser Abschiede der mir nicht so leicht fällt. Da weiß ich noch nicht, dass ich ein paar Wochen später alle diese Leute wiedersehen und ein paar Tage mit ihnen radeln werde.
Die Froghouse Familie
In Yogyakarta werde ich wieder von einem Warmshower Host aufgenommen. Adrian kommt aus Europa und studiert für ein Jahr in Yogyakarta. Er nutzt das Darmasiswa Programm der indonesischen Regierung, welches Stipendien vergibt um ausländische Studenten den Aufenthalt in Indonesien zu ermöglichen.
Zusammen mit anderen Studenten wohnt er in einem Haus etwas außerhalb der Stadt und schnell lerne ich seine außerordentlichen Qualitäten als Gastgeber kennen. Er gibt sich alle Mühe meinen Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen, kocht für mich und zeigt mir die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Außerdem probiert er, mich jedesmal zu einem anderen Ort zum Essen zu bringen, und das gelingt ihm selbst nach einer Woche noch.

Aus den geplanten drei Tagen in Yogya wird schnell eine Woche. Da ich noch länger bleiben möchte und Adrian seinen Raum mit mir teilt, ziehe ich um ins Froghouse.

Das Froghouse ist eine Art Künstler-Lebensgemeinschaft. Gegründet von Bagus (was auf indonesisch „großartig“ bedeutet) bietet es in erster Linie einen Wohnraum für kreative Menschen die sich dort frei entfalten können. Alle Gebäude bestehen aus natürlichen Materialien, hauptsächlich Bambus, aber auch Stroh und Lehm kommen zum Einsatz. Die traditionelle Bauweise ist der modernen Bauweise aus Stein und Wellblechdach in vielen Punkten überlegen.

Sie ist kostengünstiger, umweltfreundlicher und vor allem ist das Innenklima angenehmer als in Steinbauten. Die Bambushütten sind besser belüftet, es bildet sich kein Schimmel und wird auch nicht so heiß. Bei dieser offenen Bauweise lässt es sich allerdings nicht vermeiden dass man sich seinen Schlafplatz mit Ameisen, Mücken und anderen Insekten teilen muss.

Es finden auch viele Veranstaltungen im Froghouse statt. Konzerte, Filmabende, oder Workshops zu verschiedenen Themen.

Ich fühle mich sehr wohl dort. Die einfache Lebensweise gefällt mir, es ist immer jemand da zum unterhalten und ich lerne viel über die Lebens- und Denkweise der Menschen dort. Je länger ich bleibe um so besser lerne ich meine neuen Freunde kennen und zu schätzen und um so schwerer wird auch der Abschied sein. Doch noch ist es nicht so weit und ich denke nicht an den Abschied, sondern genieße einfach jeden Tag.



